Die Liste
anonyme Quellen, Halbwahrheiten, Tratsch und wilde Spekulationen gestützt. Und das alles nur, um die Story reißerisch aufzumotzen.«
»Ich habe die Tatsachen so präzise wie möglich wiedergegeben«, wiederholte ich, darum bemüht, Ruhe zu bewahren.
Wilbanks schnaubte. »Tatsächlich?« Er griff erneut nach der Zeitung. »Ich zitiere: ›Werden die Kinder vor Gericht als Zeugen aussagen?‹ Haben Sie das geschrieben, Mr Traynor?«
Abstreiten konnte ich es nicht. Am liebsten hätte ich mich selbst in den Hintern getreten, weil ich diesen Satz geschrieben hatte. Er stammte aus dem Schlussteil des Artikels, über den Baggy und ich diskutiert hatten. Wir hatten beide gezögert, und jetzt, im Rückblick, war klar, dass wir aus unseren Skrupeln besser die Konsequenzen gezogen hätten.
Ich konnte es unmöglich leugnen. »Ja.«
»Auf welchen Fakten beruht Ihre Frage?«
»Es ist eine Frage, die ich nach dem Verbrechen wieder und wieder gehört habe.«
Wilbanks warf die Zeitung erneut auf den Tisch, als würde er sich davor ekeln. Dann schüttelte er in gespielter Verwirrung den Kopf. »Es gibt zwei Kinder, nicht wahr, Mr Traynor?«
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»Ja, einen Jungen und ein Mädchen.«
»Wie alt ist der kleine Junge?«
»Fünf.«
»Und seine Schwester?«
»Drei.«
»Und wie alt sind Sie, Mr Traynor?«
»Dreiundzwanzig.«
»Über wie viele Prozesse haben Sie in Ihren dreiundzwanzig Lebensjahren schon als Journalist berichtet?«
»Über keinen.«
»Wie viele Verfahren haben Sie als Zuschauer miterlebt?«
»Keines.«
»Mit was für juristischen Recherchen haben Sie sich auf diese Artikel vorbereitet, da von wie immer gearteter Prozesserfahrung ja keine Rede sein kann?«
Zu diesem Zeitpunkt hätte ich den Revolver wahrscheinlich auf mich selbst gerichtet.
»Juristische Recherchen?«, wiederholte ich, als hätte sich Wilbanks einer Fremdsprache bedient.
»Ja, Mr Traynor. Wie viele Fälle haben Sie gefunden, wo es fünfjährigen oder noch jüngeren Kindern gestattet war, in einem Strafverfahren als Zeugen auszusagen?«
Ich blickte zu Baggy hinüber, der mittlerweile völlig unter der hölzernen Bank verschwunden war. »Keinen.«
»Das ist die richtige Antwort, Mr Traynor. Keinen. In der Geschichte dieses Bundesstaates hat noch nie ein Kind unter elf Jahren bei einem Strafverfahren ausgesagt. Bitte notieren Sie sich das irgendwo, und erinnern Sie sich daran, wenn Sie wieder versuchen sollten, Ihre Leser durch Groschenblattjournalismus aufzuhetzen.«
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»Das reicht jetzt, Mr Wilbanks«, schaltete sich Richter Loopus ein, für meinen Geschmack etwas zu wenig energisch. Er und die Anwälte, Harry Rex wahrscheinlich eingeschlossen, genossen die Schlachtung eines Mannes vermutlich, der sich in juristische Angelegenheiten eingemischt und alles falsch gemacht hatte. Selbst Mr Gaddis schien mich gern bluten zu sehen.
Wilbanks war klug genug, um nicht weiter nachzuhaken, wenn das Blut bereits floss, und knurrte nur etwas wie
»Ich bin fertig mit ihm«. Gaddis hatte keine Fragen. Der Gerichtsdiener gab mir ein Zeichen, den Zeugenstand zu verlassen, und ich versuchte, in aufrechter Haltung zu meinem Platz zurückzukehren, wo Baggy noch immer unter der Bank kauerte wie ein streunender Hund im Hagel.
Im weiteren Verlauf der Anhörung kritzelte ich Notizen auf meinen Block, aber es war ein misslungener Versuch, mich als geschäftigen und wichtigen Mann zu präsentieren. Ich spürte, dass man mich anstarrte, fühlte mich gedemütigt und hätte mich am liebsten ein paar Tage in meinem Büro eingeschlossen.
Wilbanks beendete seinen Auftritt mit der leidenschaftlichen Forderung, den Verhandlungsort zu verlegen, und zwar möglichst weit weg, vielleicht sogar in eine Stadt an der Golfküste, wo ein paar Leute von dem Verbrechen gehört haben mochten, aber niemand durch die Berichterstattung der Times »aufgehetzt« worden war.
Er beschimpfte mich und meine Zeitung, übertrieb aber. In seinen abschließenden Bemerkungen meinte Mr Gaddis:
»Viel Wind um nichts.«
Ich notierte mir den Satz, dann stürmte ich aus dem Sitzungssaal, als hätte ich einen wichtigen Termin.
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11
m späten Vormittag des nächsten Tages stürmte Baggy m
A
it der brandheißen Neuigkeit in mein Büro, Lucien Wilbanks habe seinen Antrag auf Verlegung des Verhandlungsorts zurückgezogen. Wie üblich hatte er jede Menge Erklärungen parat.
Die erste besagte, dass die Padgitts kein Interesse daran haben konnten, das Verfahren in einem anderen County
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