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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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dieser Artikel. Lassen Sie uns hören, was er zu sagen hat.«
    »Das ist ein Hinterhalt«, bemerkte Harry Rex.
    »Setzen Sie sich wieder, Mr Vonner«, sagte Loopus. Ich nahm im Zeugenstand Platz und warf Harry Rex einen Blick zu, der besagen sollte: Toll gemacht, Anwalt.
    »Sind Sie bewaffnet?«, fragte ein vor mir stehender Gerichtsdiener.
    »Wie bitte?« Ich war mehr als nur nervös. Nichts schien mehr einen Sinn zu haben.
    »Haben Sie eine Schusswaffe?«
    »Ja.«
    »Würden Sie sie mir bitte geben?«
    »Sie ist in meinem Wagen.« Die meisten Zuschauer fanden das komisch. Offensichtlich kann man in Mississippi keine anständige Zeugenaussage machen, wenn man bewaffnet ist. Ein weiteres absurdes Gesetz. Aber schon ein paar Augenblicke später fand ich es sehr sinnvoll.
    Denn hätte ich meinen Revolver dabei gehabt, hätte ich auf Lucien Wilbanks geschossen.
    Der Gerichtsdiener nahm mir den Schwur ab, dass ich nichts als die Wahrheit sagen würde, und ich beobachtete, wie Wilbanks auf und ab zu gehen begann. Die Menge hinter ihm erschien mir noch größer. Er begann, mir genüsslich einige einleitende Fragen zu meiner Person und über den Kauf der Zeitung zu stellen. Obwohl ich jeder Frage mit äußerstem Misstrauen begegnete, schaffte ich 128

    es, die richtigen Antworten zu geben. Er arbeitete in eine bestimmte Richtung, aber ich hatte keine Ahnung, in welche.
    Dem Publikum schien das Ganze Spaß zu machen. Mein plötzlicher Erwerb der Times war immer noch interessant und Anlass von Spekulationen, und plötzlich stand ich vor dem Auditorium und musste unter Eid und ganz offiziell darüber Auskunft geben.
    Nachdem wir ein paar Minuten Nettigkeiten ausgetauscht hatten, stand Mr Gaddis auf, den ich im Gegensatz zu Wilbanks auf meiner Seite wähnte. »Das ist ja alles sehr informativ, Euer Ehren«, sagte er. »Aber was genau soll das Ganze eigentlich?«
    »Gute Frage. Mr Wilbanks?«
    »Einen Augenblick.«
    Wilbanks zog ein paar Exemplare der Times hervor und verteilte sie an mich, Gaddis und Loopus. Dann schaute er mich an. »Nur für die Akten, Mr Traynor – wie viele Abonnenten hat die Times jetzt?«
    »Ungefähr viertausendzweihundert«, antwortete ich, durchaus ein bisschen stolz. Zum Zeitpunkt des Konkurses hatte Spot es geschafft, die Zahl der Abonnenten auf zwölfhundert zu verringern.
    »Und wie viele Exemplare setzen Sie im freien Verkauf ab?«
    »Etwa tausend.«
    Vor zwölf Monaten hatte ich noch im dritten Stock eines Wohnheims meiner Studentenverbindung in Syracuse, New York, gelebt. Lehrveranstaltungen hatte ich nur gelegentlich besucht, dafür hatte ich hart daran gearbeitet, die sexuelle Revolution voranzubringen, jede Menge Alkohol getrunken, Marihuana geraucht und bis mittags 129

    geschlafen, wann immer ich Lust dazu hatte. Wenn ich etwas Bewegung brauchte, eilte ich zur nächsten Demonstration gegen den Vietnamkrieg und schrie dort Polizisten an. Ich glaubte damals, Probleme zu haben. Plötzlich war mir schleierhaft, wie ich es von dort in den Zeugenstand eines Gerichtssaals in Ford County geschafft hatte.
    Wie auch immer, in diesem schicksalhaften Moment meiner neuen Karriere stand ich mehreren hundert Mitbürgern und Abonnenten gegenüber, die mich anstarrten. Das war jetzt nicht der richtige Augenblick, um Schwäche zu zeigen.
    »Wie viel Prozent Ihrer Zeitungen werden in Ford County verkauft, Mr Traynor?«
    »Praktisch die gesamte Auflage, aber die genauen Zahlen kann ich nicht nennen.«
    »Wird Ihre Zeitung auch an Kiosken außerhalb von Ford County verkauft?«
    »Nein.«
    Mr Gaddis erhob sich und machte einen weiteren lahmen Versuch, mir zur Hilfe zu kommen. »Bitte, Euer Ehren, was soll das alles?«
    Wilbanks zeigte mit einem Finger in Richtung Decke und hob seine Stimme. »Ich will sagen, Euer Ehren, dass potenzielle Geschworene in diesem County durch die sensationslüsterne Aufbereitung des Falls in der Ford County Times aufgehetzt worden sind. Glücklicherweise ist diese Zeitung in anderen Teilen des Bundesstaates nicht vertrieben und gelesen worden. Eine Verlegung des Verhandlungsorts ist nicht nur gerecht, sondern zwingend erforderlich.«
    Das Wort »aufgehetzt« veränderte den Tonfall der Anhörung dramatisch. Es traf mich und machte mir Angst, und ich fragte mich erneut, ob ich etwas falsch gemacht 130

    hatte. Trost suchend sah ich Baggy an, doch der duckte sich hinter eine vor ihm sitzende Frau.
    »Was gerecht und zwingend erforderlich ist, entscheide immer noch ich, Mr Wilbanks«,

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