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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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habe ja kein Geheimnis daraus gemacht. In Paris habe ich Bill erzählt, dass ich sie bitten wollte, meine Frau zu werden. Später rief ich Bill an, um herauszufinden, ob sie wirklich nach Afghanistan gegangen war. Steht alles in meinen Akten. Und dieser Mistkerl hier ist darüber im Bilde, und er wird sein Wissen ausnützen.
    »Ich weiß nur wenig darüber«, sagte er vorsichtig, und dann fiel ihm ein Gedicht von Kipling ein, und er rezitierte die Zeilen:
    When you’re wounded an’ left on Afghanistan’s Plains,
    An’ the women come out to cut up your remains,
    Just roll to your rifl an’ blow out your brains,
    An’go to your Gawd like a saldier.
    Zum ersten Mal wirkte Winderman irritiert. »Nachdem Sie zwei Jahre lang den Poeten gemimt haben, müssen Sie eine Menge von diesem Zeug kennen.«
    »Wie die Afghanen«, sagte Ellis. »Sie sind alle Poeten, sowie alle Franzosen Gourmets und alle Waliser Sänger sind.«
    »Stimmt das?«
    »Das liegt daran, dass sie weder lesen noch schreiben können. Poesie ist eine gesprochene Kunstform.« Winderman wurde sichtlich ungeduldig: in seinem Tagesprogramm war kein Platz für Poesie. Ellis fuhr fort: »Afghanen sind wilde, zerlumpte, leicht erregbare Menschen, die in Stammesgemeinschaften in den Bergen wohnen und kaum aus dem Mittelalter heraus sind. Man sagt ihnen nach, sie seien ungemein höflich, mutig wie Löwen und gnadenlos grausam. Ihr Land ist rau , öde, wenig fruchtbar. Was wissen Sie über Afghanen?«
    »So etwas wie einen Afghanen gibt es überhaupt nicht«, erwiderte Winderman. »Es gibt sechs Millionen Paschtunen im Süden, drei Millionen Tadschiken im Westen, eine Million Usbeken im Norden und etwa ein weiteres Dutzend Nationalitäten von weniger als einer Million. Moderne Grenzen bedeuten ihnen wenig; es gibt Tadschiken in der Sowjetunion und Paschtunen in Pakistan. Manche von ihnen sind in Stämme unterteilt. Sie sind wie die Indianer, die sich niemals als Amerikaner, sondern als Apachen, Crow oder Sioux fühlen. Und sie sind ebenso schnell bereit, gegeneinander zu kämpfen, wie gegen die Russen. Unser Problem besteht darin, die Apachen und die Sioux im Kampf gegen die Bleichgesichter zu vereinen.«
    »Verstehe.« Ellis nickte. Und fragte sich: Wann kommt Jane ins Spiel? Er sagte: »Die wichtigste Frage ist also: Wer soll der Große Häuptling sein?«
    »Das liegt auf der Hand. Der bei Weitem geeignetste Guerillaführer ist Ahmed Schah Masud im Panischer-Tal.«
    Das Fünf-Löwen-Tal . Was führst du im Schilde, du verdammter Heuchler? Ellis betrachtete Windermans glatt rasiertes Gesicht. Der Mann wirkte vollkommen gelassen.
    Ellis fragte: »Wodurch zeichnet sich denn Masud so besonders aus?«
    »Die meisten der Rebellenführer begnügen sich damit, ihre Stämme zu kontrollieren, Steuern einzuziehen und der Regierung den Zugang zu ihrem Territorium zu verwehren.
    Masud tut mehr als das. Er verlässt seine Bergbastion und greift an. Er befindet sich in günstiger Position zu drei strategischen Zielen: zur Hauptstadt Kabul, zum Salang-Tunnel an der einzigen brauchbaren Fahrstraße von Kabul in die Sowjetunion und zum Hauptluftstützpunkt Bagram. Aus dieser Position heraus kann er enormen Schaden anrichten, und das tut er. Er hat die Kunst der Guerillakriegsführung studiert. Er hat Mao gelesen. Er besitzt zweifellos den besten militärischen Verstand im ganzen Land. Und er verfügt über Finanzquellen. In seinem Tal schürft man nach Smaragden, die in Pakistan verkauft werden: Auf alle Verkäufe erhebt Masud eine zehnprozentige Steuer, und mit diesem Geld finanziert er seine Armee. Er ist achtundzwanzig Jahre alt und hat Charisma – die Menschen verehren ihn. Außerdem ist er Tadschike. Die größte Gruppe bilden die Paschtunen, die jedoch von allen anderen geha ss t werden, sodass niemals ein Paschtune Anführer sein könnte. Die nächst größte Nation sind die Tadschiken. Es besteht die Chance, dass sie sich unter einem Tadschiken vereinigen würden.«
    »Und wir wollen das fördern?«
    »Ganz recht. Je stärker die Aufständischen sind, desto mehr Schaden fügen sie den Russen zu. Überdies wäre ein Triumph für die US-Geheimdienstler in diesem Jahr sehr nützlich.«
    Winderman und den Leuten seines Schlages ist es vollkommen egal, dass die Afghanen um ihre Freiheit kämpfen, dachte Ellis. Moral war in Washington aus der Mode gekommen: Das Machtspiel war das einzige, was zählte. Wäre Winderman in Leningrad geboren statt in Los Angeles, so wäre er

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