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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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schlecht. »Besser als eine Glückwunschkarte mit einem Bild eines süßen Kätzchens, hoffe ich.«
    »O ja.« Sie lachte. »Alle meine Freunde finden dich so romantisch. Meine Englischlehrerin hat mich gefragt, ob du schon mal was veröffentlicht hättest.«
    »Ich habe noch nie was geschrieben, das gut genug dafür gewesen wäre«, sagte er.
    »Macht dir Englisch immer noch Spaß?«
    »Ich mag’s viel lieber als Mathe. In Mathe bin ich eine Niete.«
    »Womit beschäftigt ihr euch? Mit Dramen?«
    »Nein, aber manchmal mit Gedichten.«
    »Gibt’s eins, das du magst?«
    Sie überlegte einen Augenblick. »Das über die Narzissen.«
    Ellis nickte. »Das mag ich auch.«
    »Ich hab’ vergessen, von wem es ist.«
    »William Wordsworth.«
    »Ach, richtig.«
    »Sonst noch eins?«
    »Eigentlich nicht. Ich interessiere mich mehr für Musik. Magst du Michael Jackson?«
    »Weiß ich nicht. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich schon Platten von ihm gehört habe.«
    »Er ist echt süß.« Sie kicherte. »Alle meine Freunde sind ganz verrückt nach ihm.«
    Es war das zweite Mal, dass sie alle meine Freunde gesagt hatte. Im Augenblick war ihre Gruppe von Gleichaltrigen das Wichtigste in ihrem Leben. »Ich würde gern mal ein paar von deinen Freunden kennenlernen.«
    »Ach, Daddy«, sagte sie tadelnd. »Das würde dir gar nicht gefallen, es sind doch bloß Mädchen.«
    Das Gefühl der leisen, doch unverkennbaren Zurückweisung ließ Ellis verstummen. Eine Zeitlang konzentrierte er sich ganz aufs Essen. Er trank ein Glas Weißwein dazu: So manche französische Gewohnheit hatte er beibehalten. Als er fertig war, sagte er: »Hör mal, ich hab’ da eine Idee. Wie war’s, wenn du mal übers Wochenende zu mir nach Washington kämst? Mit dem Flugzeug ist es nur eine Stunde, und wir könnten eine ganze Menge unternehmen.«
    Sie war ziemlich überrascht. »Was gibt’s denn in Washington?«
    »Nun, wir könnten eine Führung durchs Weiße Haus mitmachen, wo der Präsident wohnt.
    Außerdem hat Washington einige der besten Museen auf der ganzen Welt. Und du hast noch nie mein Appartement gesehen. Ich habe ein Gästezimmer …« Er brach ab. Ihr Desinteresse war offenkundig.
    »Ach, Daddy, ich weiß nicht«, sagte sie. »Am Wochenende gibt’s für mich immer so viel zu tun - Hausaufgaben und Partys und Einkaufen und Tanzstunde und so …«
    Ellis verbarg seine Enttäuschung. »Macht ja nichts«, sagte er. »Vielleicht kannst du ein andermal kommen, wenn du nicht so viel zu tun hast.«
    »Ja, okay«, erwiderte sie sichtlich erleichtert.
    »Ich könnte das Gästezimmer so herrichten, dass du kommen könntest, wann immer du möchtest.«
    »Okay.«
    »Welche Farbe sollen die Wände haben?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Was ist deine Lieblingsfarbe?«
    »Pink, glaube ich.«
    »Okay, dann also Pink.« Ellis zwang sich zu einem Lächeln.
    Auf der Heimfahrt im Auto fragte sie ihn, ob er etwas dagegen hätte, wenn sie sich die Ohrläppchen durchstechen ließe.
    »Ich weiß nicht«, sagte er vorsichtig. »Was meint Mammi denn dazu?«
    »Sie sagt, sie ist einverstanden, wenn du einverstanden bist.«
    War es Rücksichtnahme, die Gill bewog, ihn an der Entscheidung zu beteiligen, oder schob sie ihm nur den Schwarzen Peter zu? »Ich glaube, es gefällt mir nicht«, sagte Ellis.
    »Du bist mir noch ein bisschen zu jung, um dich schon für Schmuck durchlöchern zu lassen.«
    »Findest du, ich bin noch zu jung, um einen Freund zu haben?«
    Ellis verkniff es sich, einfach ja zu sagen. Sie erschien ihm bei Weitem zu jung dafür.
    Doch schließlich konnte er sie nicht am Erwachsenwerden hindern. »Du bist alt genug, um dich mit einem Jungen zu verabreden, aber nicht alt genug, um einen festen Freund zu haben«, sagte er und drehte kurz den Kopf, um zu sehen, wie sie reagieren würde.
    Sie wirkte amüsiert. Vielleicht, dachte er, reden sie heute nicht mehr von einem › festen Freund ‹ .
    Als sie am Haus anlangten, stand Bernards Ford in der Auffahrt. Ellis parkte den Honda dahinter und trat mit Petal ein. Bernard war im Wohnzimmer: ein kleiner Mann mit sehr kurz geschnittenem Haar, gutmütig und ohne jegliche Fantasie . Petal begrüßte ihn überschwänglich e und küsste ihn. Ihm schien das ein wenig peinlich zu sein. Fest schüttelte er Ellis’ Hand und sagte: »Bei der Regierung in Washington läuft alles wie gewohnt, oder?«
    »Alles wie gehabt«, erwiderte Ellis. Sie glaubten, dass er für das Außenministerium arbeitete und dass seine Arbeit darin

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