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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Chantal zu beugen.
    »Hallo, Kleines.« Er lächelte, und Chantal gab ein Gurgeln von sich. »Was ist passiert?«
    »Es hat eine Familie getroffen, deren Haus in einiger Entfernung vom Dorf steht, sodass sie glaubten, sie wären sicher.« Jean-Pierre zuckte die Schultern. »Dann wurden ein paar verwundete Guerillas gebracht, die weiter südlich in ein Gefecht verwickelt waren.
    Deshalb komme ich so spät.« Er setzte sich auf einen Stapel Kissen. »Ist Tee da?«
    »Ist schon auf dem Weg.« Jane betrachtete ihn. »Was für ein Gefecht war das?«
    Er schloss die Augen. »Das Übliche. Soldaten kamen in Hubschraubern und besetzten aus irgendwelchen, nur ihnen bekannten Gründen ein Dorf. Die Dorfbewohner flüchteten. Die Männer sammelten sich, erhielten Verstärkung und begannen, sie von den Hügeln her zu beschießen. Verwundete auf beiden Seiten. Den Guerillas ging schließlich die Munition aus, und sie zogen sich zurück.«
    Jane nickte. Jean-Pierre tat ihr leid: Es war frustrierend, die Opfer sinnloser Kampfhandlungen zu versorgen. Banda war noch nie besetzt worden, doch Jane lebte in ständiger Furcht vor dieser Möglichkeit - sie hatte Albträume , in denen sie lief und lief und lief, Chantal in ihren Armen, während über ihr Hubschrauber schwebten und vor ihren Füßen Maschinengewehrkugeln Löcher in den staubigen Boden rissen.
    Fara kam mit heißem grünem Tee, flachen Brotfladen, die nan hießen, und einem irdenen Gefäß mit frischer Butter. Jane und Jean-Pierre begannen zu essen. Die Butter war eine seltene Kostbarkeit. Für gewöhnlich stippten sie ihr abendliches nan in Joghurt, geronnener Milch oder Öl. Mittags aßen sie in der Regel Reis mit einer Soße , die nach Fleisch schmeckte, was keineswegs bedeutete, dass auch wirklich Fleisch darin war.
    Einmal pro Woche gab’s Huhn oder Ziege. Jane, die immer noch für zwei aß, bekam - ein unerhörter Luxus - täglich ein Ei. Um diese Jahreszeit gab es, als Nachtisch, Obst im Überfluss : Aprikosen, Pflaumen, Äpfel, Maulbeeren. Jane fühlte sich bei dieser Diät sehr gesund; die meisten Angelsachsen hätten zweifellos von Hungerrationen gesprochen, und für so manchen Franzosen wäre das sogar ein Grund gewesen, an Selbstmord zu denken.
    Sie lächelte Jean-Pierre an. »Noch ein wenig Soße Bearnaise zu deinem Steak?«
    »Nein, danke.« Er hielt ihr seinen Becher hin. »Aber vielleicht noch einen Tropfen vom Château Cheval Blanc .« Jane schenkte ihm Tee nach, und er tat, als probiere er köstlichen Wein. »Der 62er-Jahrgang wird unterschätzt, da er dem unvergesslichen 61er folgte, doch war ich von Anfang an der Überzeugung, dass seine Lieblichkeit und Vollmundigkeit der perfekten Eleganz und der absoluten Reinheit seines hochgelobten Vorgängers nahezu gleichkommen.«
    Jane lächelte. Allmählich wurde er offenbar wieder er selbst.
    Chantal begann zu greinen, und Jane spürte sofort die Reaktion ihrer Brüste. Sie nahm das Baby in die Arme, um es zu stillen. Jean-Pierre aß weiter. Jane sagte: » L ass etwas Butter für Fara übrig.«
    »Okay.« Er brachte die Reste des Abendessens nach draußen und kam mit einer Schale voller Maulbeeren zurück. Jane aß, noch während sie Chantal stillte. Bald schlief das Baby ein, doch Jane wusste , dass es schon nach wenigen Minuten wieder aufwachen würde.
    Jean-Pierre schob die Schale beiseite und sagte: »Heute hat sich wieder jemand über dich beschwert.«
    »Wer?« fragte Jane scharf.
    Jean-Pierre musterte sie mit einer Mischung aus Verlegenheit und Trotz. »Mohammed Khan.«
    »Aber er sprach nicht in eigener Sache.« ;
    »Vielleicht nicht.«
    »Was hat er gesagt?«
    » Dass du die Frauen des Dorfes lehrst, unfruchtbar zu sein.«
    Jane seufzte. Es war nicht nur die Beschränktheit der Männer des Dorfes, die ihr auf die Nerven ging, sondern auch Jean-Pierres »verständnisvolle« Einstellung ihren Beschwerden gegenüber. Sie erwartete, dass er sie in Schutz nehme, statt diesen Leuten nachzugeben. »Natürlich steckt Abdullah Karim dahinter«, sagte sie. Die Frau des Mullahs war oft am Fluss ufer, und zweifellos berichtete sie ihrem Mann alles, was sie dort hörte.
    »Du wirst wohl damit aufhören müssen«, sagte Jean-Pierre.
    »Womit?« Jane hörte den drohenden Unterton in ihrer eigenen Stimme.
    »Den Frauen zu sagen, wie sie eine Schwangerschaft vermeiden.«
    Das war - in dieser Form - eine unzutreffende und unfaire Umschreibung für das, was Jane die Frauen zu lehren versuchte, doch dachte sie nicht daran,

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