Die Löwen
und fragte sie auf Dari: »War er in einer Explosion?«
»Die Hubschrauber hatten Raketen«, sagte einer der Nichtverwundeten. »Eine explodierte neben ihm.«
Auf französisch sagte Jean-Pierre zu Jane: »Es sieht nicht gut aus. Ein Wunder, dass er den Heimweg überlebt hat.«
Jane sah Blutflecke auf Ahmeds Kinn: Er hatte Blut gehustet, ein Zeichen, dass er innere Verletzungen hatte.
Zahara blickte flehend auf Jane. »Wie steht es um ihn?« fragte sie.
»Es tut mir leid, meine Freundin«, sagte Jane, so behutsam sie konnte. »Es steht nicht gut um ihn.«
Zahara nickte resigniert: Sie hatte es gewusst gewusst , doch die Bestätigung löste einen neuen Tränenstrom aus.
Jean-Pierre sagte zu Jane: »Kümmere du dich um die anderen - ich will hier keine Minute verlieren.«
Jane untersuchte die anderen beiden Verwundeten. »Die Kopfwunde ist nur ein Kratzer«, sagte sie nach einer Weile.
»Erledige du das«, sagte Jean-Pierre. Er überwachte, wie man Ahmed auf einen Tisch hob.
Jane untersuchte den Mann, der seinen Arm in der Schlinge trug. Seine Verwundung war ernsterer Natur: Eine Kugel schien einen Knochen zerschmettert zu haben. »Das hat wohl sehr weh getan«, sagte sie zu ihm auf Dari. Er grinste und nickte. Diese Männer waren wie aus Gusseisengusseisen . »Eine Knochenfraktur«, sagte sie zu Jean-Pierre.
Jean-Pierres Blick löste sich nicht von Ahmed. »Gib ihm eine örtliche Betäubung, säubere die Wunde, hole die Stückchen heraus und mach ihm eine Armschlinge. Wir richten den Knochen später.«
Sie begann mit der Vorbereitung der Injektion. Falls Jean-Pierre ihre Hilfe brauchte, würde er sie rufen. Allem Anschein nach würde dies eine lange Nacht werden.
Ahmed starb kurz nach Mitternacht, und Jean-Pierre hätte heulen mögen - nicht aus Trauer, denn er hatte Ahmed kaum gekannt, sondern aus reiner Frustration, weil er wusste , dass der Mann zu retten gewesen wäre, hätte er, der Arzt, nur die unerlässlichen Mittel zur Verfügung gehabt: einen Anästhesisten, Strom und einen Operationssaal.
Er bedeckte das Gesicht des Toten, dann sah er zu dessen Ehefrau hinüber, die stundenlang bewegungslos gestanden und alles mit angesehen hatte. »Es tut mir leid«, sagte er zu ihr. Sie nickte. Er war froh, dass sie sich ruhig verhielt. Mitunter wurde er beschuldigt, nicht alles in seiner Macht Stehende versucht zu haben: Die Leute schienen zu glauben, er wisse so viel, dass es nichts gab, was er nicht heilen konnte. Dann hätte er sie jedes Mal am liebsten angeschrien angeschrien : Ich bin nicht Gott! Diese Frau jedoch schien es zu verstehen.
Er drehte sich um, müde bis auf die Knochen. Den ganzen Tag lang hatte er Verwundete versorgt, aber dies war der erste Patient, den er verloren hatte. Mehrere Leute, stumme Zuschauer bis jetzt, zumeist Verwandte des Toten, traten herbei, um die Leiche fortzutragen. Die Witwe begann zu klagen, und Jane führte sie hinaus.
Jean-Pierre fühlte eine Hand auf seiner Schulter. Er drehte sich um und sah, dass es Mohammed war, der Guerilla, der die Konvois organisierte. Plötzlich empfand er ein leichtes Schuldgefühl.
Mohammed sagte: »Es ist Allahs Wille.«
Jean-Pierre nickte. Mohammed zog ein Päckchen pakistanischer Zigaretten hervor und steckte sich eine an. Jean-Pierre begann seine Instrumente zusammenzulesen, um sie in seine Tasche zu legen. Ohne Mohammed anzusehen, fragte er: »Was wirst du jetzt tun?«
»Sofort einen neuen Konvoi losschicken«, sagte Mohammed. »Wir müssen Munition haben.«
Trotz seiner Müdigkeit war Jean-Pierre plötzlich hellwach. »Möchtest du dir die Landkarten ansehen?«
»Ja.«
Jean-Pierre klappte seine Tasche zu, und die beiden Männer verließen die Moschee. Im Schein der Sterne gingen sie durch das Dorf zum Haus des Krämers. Im Wohnzimmer schlief Fara auf einem Teppich neben Chantals Wiege. Sie erwachte sofort und stand auf.
»Du kannst jetzt nach Hause gehen«, sagte Jean-Pierre zu ihr. Sie entfernte sich, ohne ein Wort zu sagen.
Jean-Pierre stellte seine Tasche auf den Boden. Dann hob er vorsichtig die Wiege hoch und trug sie ins Schlafzimmer. Als er die Wiege absetzte, wachte Chantal auf und begann zu weinen. »Nun, was ist denn?« fragte er leise. Ein Blick auf die Armbanduhr sagte ihm, dass sie wahrscheinlich gestillt werden wollte. »Mama kommt bald«, versicherte er. Das hatte keinerlei Wirkung. Er nahm sie aus der Wiege heraus und schaukelte sie auf seinen Armen. Sie wurde ruhig, und er trug sie wieder ins
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