Die Löwin von Aquitanien
gelingen.
Im Herbst 1180, als Alienor sechs Jahre gefangen und in einem Schloß in der Grafschaft Nottingham untergebracht war, erhielt sie die Nachricht, daß Louis am achtzehnten September in Saint-Port, einem Kloster der Zisterzienser, gestorben war. Sein fünfzehnjähriger Sohn Philippe, der nur einige Monate vorher feierlich als Thronfolger gesalbt worden war und bei dieser Gelegenheit auch die Lehnshuldigung von Hal und Richard entgegengenommen hatte, bestieg als Philippe II den französischen Thron.
Louis’ Tod berührte Alienor sehr stark. War es möglich, dachte sie, daß sie fünfzehn Jahre mit diesem frommen, sanftmütigen Mann, der nie ganz seine Arglosigkeit im Umgang mit den Menschen verloren hatte, verheiratet gewesen war und ihm zwei Töchter geboren hatte, von denen eine bereits tot war? Alix war in Fontevrault gestorben, ohne längere Krankheit, wie ihr Vater, dem sie so sehr glich.
Die Erinnerung an ihre Hochzeit mit Louis, an den schüchternen jungen Thronfolger, den man aus seinem Kloster geholt hatte, und die fünfzehnjährige selbstsichere Herzogin von Aquitanien, deren Gefühle zwischen Zorn über den Heiratszwang und Mitleid für den Bräutigam schwankten, suchte sie öfter heim, als sie geglaubt hatte.
Aber sie fragte sich auch, wie nun, da ein neuer Herrscher die Arena betreten hatte, das Spiel um die Macht weitergehen würde. Was für ein Verbündeter, was für ein Gegner würde wohl Philippe sein?
Geoffrey Plantagenet, Herzog der Bretagne, betrachtete seinen ältesten Bruder zufrieden. Hal, der sich mit ihm in Grandmont getroffen hatte, war ungewöhnlich aufgeregt und fluchte laut. »Er hat mir schon wieder die Herrschaft über ein Fürstentum verweigert. Sitz nicht so da und grinse - es ist einfach infam und ungerecht. Du hast die Bretagne, Richard hat Aquitanien, und was habe ich? Glaubst du, daß er mir auch nur ein wenig Mitspracherecht in der Normandie oder England einräumt? Es ist, als gäbe es mich überhaupt nicht!«
Geoffrey klopfte ihm beruhigend auf die Schultern. Er hatte schon längst entdeckt, daß man andere Menschen für seine Zwecke manipulieren konnte, und er hielt Hal für das in dieser Hinsicht bei weitem empfänglichste, weil unüberlegteste Mitglied seines Hauses.
»Ich stimme dir zu«, sagte er lässig, »es ist nicht gerecht dir gegenüber. Nur, Hal, ich würde mir eher Gedanken um Richard machen, nicht um Vater.«
Hal wurde mürrisch. »Was ist mit Richard? Ich habe es langsam satt, pausenlos seine Eroberungen preisen zu hören!«
Sie befanden sich in einer Schenke, und Geoffrey, der die aufmerksam gewordenen Gäste bemerkte, legte seinem Bruder beschwichtigend die Hand auf den Arm. Sie waren beide leicht als Adlige einzuordnen, wenn auch nicht unbedingt als Prinzen, denn Geoffrey hatte Hal geraten, in möglichst schlichter Kleidung zu kommen. Nur machte schlichte Kleidung aus Hal immer noch keinen gewöhnlichen Bürger. Geoffrey verwünschte Hals Eitelkeit. Immerhin, diese Eitelkeit würde ihm unter Umständen gestatten, sein Ziel zu erreichen.
»Du solltest aber auf die Geschichten um Richard achten«, sagte er mit gesenkter Stimme. »Für wen tut er das wohl? Für Vater? Das ist doch nur zum Lachen. Er tut es für sich selbst, Hal. Er baut sich seine Macht in Aquitanien auf, und wenn du annimmst, daß er dich nach Vaters Tod so ohne weiteres als Herrscher auf den Thron steigen läßt, dann bist du blind. Warum hat er die Burg Clairvaux an seiner Grenze wieder aufbauen und neu verstärken lassen, obwohl sie nicht mehr zu seinem Teil des Reiches gehört?«
Hal sah leicht verwirrt drein, und Geoffrey seufzte.
»Diese Burg«, erläuterte er geduldig, »liegt Chinon gegenüber, und Chinons Bedeutung als königliche Schatzkammer brauche ich wohl nicht weiter auszumalen.«
Allmählich konnte Hal den Ausführungen seines Bruders folgen.
»Er wird es nicht wagen…« fuhr er auf.
Doch Geoffrey unterbrach schneidend: »Nein! Mit den Truppen, die er hinter sich hat?«
Hal schlug auf den groben hölzernen Tisch. »Verdammt, ich werde es ihm zeigen! Ich werde König, und er wird sich mir unterwerfen oder…«
»Sicher«, sagte Geoffrey freundlich, »sicher. Du wirst König. Aber das fällt einem nicht in den Schoß, Hal.«
Eines der Schankmädchen hatte ihnen inzwischen Wein und etwas Brot und Käse gebracht. Geoffrey schnitt sich gelassen eine Scheibe ab. Genußvoll biß er hinein. Hal beobachtete ihn, während er kaute.
»Was rätst du mir,
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