Die Löwin von Aquitanien
Höflichkeit auf ihren Spaziergängen begleitete - denn Fluchtversuche waren hier wahrhaftig unmöglich -, »ich verlange, daß mir von nun an meine Briefe ungeöffnet ausgehändigt werden. Wie soll mir das Lesen von Briefen zur Flucht verhelfen, wo Ihr in Eurer Wachsamkeit doch sonst jedes erdenkliche Mittel gebraucht, um es zu verhindern? Außerdem könnt Ihr dem König schreiben, daß ich etwas mehr Bücher haben möchte.«
Ralph Fitz-Stephen war so verblüfft von dem Ton selbstverständlicher Autorität, daß er unwillkürlich murmelte: »Ja, Euer Gnaden«, bevor er sich seiner Lage wieder bewußt wurde.
Alienor lächelte und ging ein paar Schritte weiter. Unter ihr lag das nebelverhangene Tal, in dem sie bei klarem Wetter manchmal Winchester ausmachte.
»Ich bin Alienor von Aquitanien«, rief sie dem Tal zu, »und es gibt nichts, das ich nicht ertragen kann!«
Im dritten Jahr ihrer Gefangenschaft hatte Henry die Bedingungen für Alienor soweit gelockert, daß sie einen Besucher empfangen konnte, den ihr Bewacher, zur Zeit Renoulf de Glanville, als sicher einstufte. Es handelte sich um William, Graf von Salisbury.
Alienor war aufrichtig erfreut, als sie ihn sah, denn von Henrys beiden unehelichen Kindern hatte sie den bedächtigen Will immer lieber gemocht. Sie streckte ihm ihre Hand entgegen. »Will!« Der Graf von Salisbury war nun ein selbstsicherer junger Mann Mitte Zwanzig, und er lächelte seine Stiefmutter an. »Wie geht es meiner Königin?«
»Ich übe mich darin, mit den Raben um die Wette zu krächzen, was mir mittlerweile nicht mehr schwerfällt. Und du? Ich habe gehört, du warst mit Henry bei den Verhandlungen von Nonancourt?«
Will zögerte, und Alienor erklärte belustigt: »Das fällt unter die geschützten Nachrichten, Will? Du kannst mir ruhig davon erzählen, ich weiß es ohnehin schon.«
Der Graf von Salisbury errötete. Er hatte nicht erwartet, sie so lebensfroh anzutreffen. »Es ging um Richards Verlobung mit Alais«, sagte er zögernd, »der französische König verlangte, daß die beiden nun verheiratet würden.«
»Erzähl mir von Alais«, sagte Alienor. »Jetzt, wo Aenor, Mathilda und Joanna vermählt und weit fort sind, Alix tot und Marie in der Champagne, ist sie die einzige Tochter, die noch in meiner Nähe ist - nun ja, ein wenig.«
Will war entsetzlich verlegen. »Es geht ihr sehr gut«, sagte er und stürzte sich dann in Beschreibungen von den Verhandlungen mit Louis. »Mein Vater wollte, daß Alais von König Louis mit Bourges als Mitgift ausgestattet würde, da das Vexin schon Marguerites Mitgift in der Ehe mit Hal sei der König von Frankreich weigerte sich und sagte, daß niemand dafür garantieren könne, daß es dem König von England nicht auch in den Sinn käme, Frankreich zu erobern, aber am Ende hatte ihn Vater zu einem weiteren Nichtangriffspakt überredet.«
Alienor blickte auf ihre beringten Hände hinab. »Mit welchen Bedingungen?«
Will räusperte sich. »Sie haben beide versprochen, einen Kreuzzug zu unternehmen.«
Die Königin brach in schallendes Gelächter aus. »Ein Kreuzzug!
O Will«, sagte sie, als sie wieder zu Atem kam, »darauf konnte auch nur Henry kommen, und nur Louis konnte es ohne weiteres schlucken. Schau nicht so besorgt drein, stell dir das lieber vor - Henry auf einem Kreuzzug!«
Endlich löste sich auch Wills ernstes Gesicht, und sie plauderten eine Weile über Neuigkeiten aus aller Welt, bis Will, sie unsicher ansehend, fragte: »Ihr habt gehört, daß Rosamond Clifford gestorben ist, Euer Gnaden?«
Alienors Miene war unergründlich. »Im letzten Jahr, ja, ich weiß, im Kloster Godstow. Es hat sich«, sie machte eine spöttische Bewegung mit dem Arm, den ganzen Turm umfassend, »bis hierher herumgesprochen, daß Henry den Nonnen von Godstow ihretwegen eine riesige Schenkung gemacht hat. Aber ich nehme nicht an, daß er aus Trauer ebenfalls ein Keuschheitsgelübde abgelegt hat.«
Will wich zum zweiten Mal in ihrer Unterredung ihrem Blick aus, und Alienor begriff plötzlich. »Alais?« sagte sie langsam. »Die kleine Alais?«
Will wäre am liebsten im Erdboden versunken; er brachte hastig ein anderes Thema zur Sprache. »Hal wollte nach Santiago de Compostela pilgern, aber mein Vater hielt das nur für einen Vorwand, um… nun ja, er verbot es ihm jedenfalls und schickte ihn statt dessen zu Richard nach Aquitanien. Aber Hal hat kein Talent als Eroberer, wenn Ihr mir das nicht übelnehmt, Euer Gnaden, und nachdem Richard in
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