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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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entgegnete mürrisch: »Im Bett natürlich, wo sonst? Er kann kaum reden, geschweige denn gehen! Wann bist du gekommen, John? Du solltest doch in der Normandie sein.«
    John sagte knapp: »Ich dachte, er braucht mich hier.« Damit rang er Marshall unfreiwillig Respekt ab. Es schien, als erwidere John zumindest die Liebe, mit der ihn sein Vater überhäuft hatte, und es würde den König glücklich machen, John zu sehen, besonders, nachdem so viele Adlige, die ihm nicht nur Treue, sondern auch Freundschaft geschworen hatten, längst zu Richard übergelaufen waren. Sie begleiteten John in das Gemach seines Vaters.
    John erstarrte, als er den vom Fieber geschüttelten mächtigen Körper seines Vaters in dem riesigen Prunkbett liegen sah. Der unzerstörbare Riese war gefallen, der unbesiegbare Feldherr befand sich auf dem Rückzug. Er trat näher und spürte die Fliegen, die in der Sommerhitze nun überall lauerten, spürte sie auf seinem Nacken, erkannte, wie sie über Henrys schweißgebadetes Gesicht, über seine Schultern krochen.
    »Vater«, sagte er zögernd, »ich bin es, John.«
    Henry öffnete mühsam die Augen. »Johnny… schön, sehr schön… aber du mußt in die Normandie zurück, Johnny, du mußt Truppen für mich ausheben…«
    »Ja«, erwiderte John hastig, »das werde ich tun. So schnell wie möglich. Sofort.«
    Henry verzog seinen Mund zu einem grausam verzerrten Lächeln.
    »Armer Johnny… eine zu große Last, nicht wahr? Wie bei Caesar und… jeder geht auf seine eigene Art zum Teufel, und ich wußte immer, daß er mich…«
    »Es hat keinen Sinn, das dauert jetzt wieder eine Zeitlang«, sagte Ralph kurz.
    Als John sich zum Gehen wandte, griff die brennend heiße Hand seines Vaters nach ihm. Für den Rest seines Lebens sollte John die Erinnerung an jenen plötzlichen Griff verfolgen, an die heisere Stimme seines Vaters, die nur flüsterte: »Johnny…«
    John machte sich los und verließ fast im Laufschritt das Zimmer.
    Er gab Befehl, seine Eskorte zum Weiterreiten fertig zu machen. Ei-ne Stunde später verließ er Chinon. Da er nun über frische Pferde verfügte und höchste Eile angeordnet hatte, kam er in sehr viel kürzerer Zeit in Richards Lager zwischen Le Mans und Tours an, als er es selbst für möglich gehalten hatte.
    Richard war nicht eigentlich überrascht, als man ihm seinen Bruder anmeldete. Er debattierte gerade mit Philippe über den Angriff auf Tours, der alles entscheiden würde, denn Tours war der Knotenpunkt aller Wege und Straßen des Reichs. »Laßt ihn eintreten«, sagte er nur.
    Als John im Eingang zu seinem Zelt stehenblieb, so daß sein Gesicht im Schatten lag, fragte Richard: »Ist einundzwanzig nicht etwas früh, um zum Verräter zu werden?«
    »Du hast mit fünfzehn damit angefangen«, gab John wütend zurück. Das sah Richard ähnlich, dachte er, ihn die demütigende Lage so deutlich wie möglich fühlen zu lassen.
    »Es hat keinen Sinn mehr, gegen dich zu kämpfen«, sagte John kalt, »also stehe ich dir mit meinen Männern zur Verfügung.«
    »Warum sollte ich dein Angebot annehmen?«
    »Dann fahr doch zur Hölle«, brauste sein Bruder auf, »wenn du…«
    Philippe warf besänftigend ein: »Jeder Verbündete bedeutet eine Schlacht weniger und damit auch weniger Männer, die unnötig sterben. Ihr seid willkommen, John.« Leise setzte er hinzu: »Der Kreuzzug, Richard.«

    John war keineswegs entgangen, daß Philippe mit seinem Eingreifen gewartet hatte. Es war wohlberechnet gewesen und weder aus Zuneigung für Richard noch für John bestimmt. Interessant.
    »Wie geht es ihm?« fragte Richard unvermittelt.
    John war überrumpelt. »Vater?«
    »Selbstverständlich Vater«, antwortete Richard ungeduldig, »oder glaubst du, ich erkundige mich nach dem Gesundheitszustand von Saladin?«
    John sah wieder das Krankenzimmer vor sich, spürte die Hand, die ihn umklammerte. »Er stirbt«, sagte er leise.
    Sie schwiegen beide, bis Philippe sagte: »Nun, das bedeutet, wir müssen uns beeilen, wenn wir noch eine offizielle Anerkennung von dir als Erben haben wollen, Richard. Ich nehme an«, setzte er hämisch hinzu, »Ihr habt nichts mehr dagegen, John?«
    John beschloß, auf den Ton einzugehen. »Warum sollte ich?
    Wendet Euch lieber an unseren Bruder… Ralph.«
    »Ja«, stimmte Richard mit einem Stirnrunzeln bei, »das könnte ein Problem werden.« Philippe sah neugierig aus; es gab also etwas, folgerte John befriedigt, was der Aufmerksamkeit des französischen Königs entgangen

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