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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Somerset, Nottingham, Derby und Mortain in der Normandie, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Selbstverständlich«, sagte John zynisch, »mein Bruder, der Held, muß auch heldenhaft großzügig sein. Nur hat er vergessen, mir neben den Grafschaften auch die wichtigsten Burgen dieser Ländereien zu geben - sie bleiben in der Obhut seiner Leute. War das Eure Idee?«
    Alienor sah ihn ruhig an. Ihre Augen verrieten nichts. »Was erwartest du? Vollkommenes Vertrauen?«
    »Nein«, entgegnete John erbittert, »aber ich habe es satt, so behandelt zu werden, als sei ich Judas Iskariot persönlich. Hier in diesem Palast ist kaum einer, der ihn nicht verraten hat, aber sie starren mich alle an, als wäre ich ein Ungeheuer. Heuchler! Inwiefern, bitte, ist ihr Verrat oder Eurer oder Richards anders als meiner?«
    Alienor verflocht ihre Finger ineinander. »Nun, du brauchst von mir keine derartigen Vorwürfe zu erwarten«, sagte sie spöttisch, »ich bin nicht in der Stimmung, rührselig über Henry Plantagenet zu sprechen, nicht nach sechzehn Jahren Gefangenschaft.«
    John schluckte. Er fühlte sich unsicher in der Gegenwart seiner Mutter, und diese Empfindung machte ihn reizbar. »Warum seid Ihr hierhergekommen?« fragte er nochmals und bemühte sich, so gleichgültig wie möglich zu wirken.
    Alienor legte den Kopf ein wenig zur Seite. »Um mit dir zu sprechen, warum sonst. Ich kenne dich kaum, weißt du.«

    »In der Tat, Euer Gnaden, so ist es. Und woran liegt das? Selbst eine Katze bleibt länger bei ihrem Jungen als Ihr. Für Euch gab es immer nur Richard, Richard, Richard. Was soll das jetzt werden, eine tränenreiche Versöhnung?«
    »Ein Gespräch, wie ich schon sagte«, erwiderte Alienor. »Was willst du von mir hören, John? Daß alles so gekommen ist, weil Henry und ich nach deiner Geburt anfingen, erst geheim und dann offen gegeneinander Krieg zu führen? Daß ich mehr an dir hänge, als du ahnst? Das würdest du ohnehin nicht glauben.«
    »Nein, das würde ich nicht«, antwortete er schnell.
    Ein schwaches Lächeln spielte um Alienors Mund. »Kommen wir also zur Sache«, bemerkte sie. »Es wäre zu deinem eigenen Besten, John, wenn du nicht gegen Richard intrigieren, sondern ihm nach Kräften helfen würdest, denn vergiß nicht, du bist sein Erbe, und es kann dir also nichts an einem zerrütteten Königreich liegen.«
    John zog eine Grimasse. »Sein Erbe bin ich nur, bis er einen Sohn bekommt«, sagte er, »und selbst wenn das vorerst nicht der Fall sein sollte - es gibt immer noch Geoffreys nachgeborenen Sohn Arthur.«
    Seine Mutter schüttelte den Kopf. »Aber John, siehst du denn nicht, daß genau das der springende Punkt ist? Arthur ist wenig mehr als ein Säugling und in der Obhut des französischen Königs, und ich kann mir wenig Schlimmeres für die Zukunft eines Reiches vorstellen als einen Kindkönig, der die Puppe eines anderen Königs ist. Was meinst du, warum Richard nicht mehr darauf besteht, daß du ihn auf seinem Kreuzzug begleitest? Er will nicht die Gefahr eingehen, daß ihr beide umkommt und dann nur noch Arthur bleibt.«
    »Behütet von seinem Freund Philippe«, warf John sarkastisch ein.
    »So weit geht keine Freundschaft, und das begreifst du sehr wohl.«
    John beobachtete das Gesicht seiner Mutter in dem schwachen Feuerschein, hörte das Prasseln des trockenen Holzes und hörte sich schließlich sagen: »Gut, ich kann Euren Gründen folgen. Ich werde also Richards loyaler Bruder sein - ist es das, was Ihr wolltet? «
    Bevor Alienor die Gelegenheit hatte zu antworten, stürzte schreckensbleich Johns Knappe herein. »Euer Gnaden«, stieß er atemlos hervor, »der König verlangt sofort Eure Anwesenheit. Es ist etwas Furchtbares geschehen!« Er holte kurz Luft. »Es sind die Juden. Einige von ihnen haben offenbar versucht, in den Palast zu kommen, um dem König Geschenke zu überreichen, doch die Menge dort draußen geriet bei ihrem Anblick außer sich und fiel über sie her.
    Mittlerweile ist die ganze Stadt in Aufruhr, das Geschäftsviertel brennt, und jeder Jude, der sich auf den Straßen sehen läßt, wird umgebracht.«

    Es war eines jener Ereignisse, die wie aus dem Nichts zu kommen schienen und doch schon längst im Untergrund vorhanden gewesen waren. Die Stadt befand sich einerseits im Kreuzzugsfieber und war andererseits durch das Bier, welches zur Feier der Krönung überall umsonst ausgeschenkt wurde, ausgelassener Stimmung. Beides zusammen bewirkte, daß auf den Ausruf: »Da sind ein

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