Die Löwin von Aquitanien
provinziell wirken konnten, doch das belastete ihn nicht weiter. Schließlich wollte sie etwas von ihm, sonst wäre sie nicht sofort nach der Abreise ihres Sohnes aus Frankreich zu ihm gekommen.
Sie war freundlich zu seinem Gefolge und herzlich zu seiner Familie, bezauberte sie alle durch die Geschichten, die sie erzählte, und durch ihre ungebrochene Vitalität. Doch Sancho fiel auf, daß sie sich besonders um seine Tochter Berengaria bemühte. Als man sich am Abend zurückzog, war er darauf vorbereitet, allein mit Alienor zu sprechen.
»Also«, sagte er vorsichtig, »haben Euer Gnaden vielleicht einen bestimmten Vorschlag für mich?«
Alienor lächelte. »Gewiß. Ihr seid ein kluger Mann, mein König, und es hat keinen Sinn, Euch etwas vorzumachen. Außerdem wäre es die Verschwendung von kostbarer Zeit. Ich möchte Euch im Namen meines Sohnes Richard um die Hand Eurer Tochter bitten.«
Sancho heuchelte Überraschung; er zog die Brauen hoch. »Aber ist der König von England nicht schon mit der Schwester des Königs von Frankreich verlobt?«
»Ich habe vermutet«, sagte Alienor ironisch, »daß Ihr davon gehört habt. Aber beruhigt Euch. Diese Verlobung ist aufgelöst.«
»Nicht für den König von Frankreich.«
»Aber für den König von England.«
Sancho strich sich über den schwarzen Schnurrbart. »Ich bin sehr geehrt, Euer Gnaden, nur… wie soll ich mich ausdrücken… wenn ich sicher sein könnte, daß die Verbindung zustande käme, wäre ich überglücklich. Doch woher soll ich wissen, daß der König den Kreuzzug überlebt oder sich danach nicht anders besinnt? Wer eine Verlobung auflöst, kann auch eine zweite auflösen.«
»Wie es sich trifft«, entgegnete Alienor, »habe ich eine Lösung für Eure Befürchtungen. Eure Tochter würde im Fall einer Zusage nicht warten müssen, bis Richard zurückkehrt. Ich würde sofort mit ihr nach Sizilien reisen, wo mein Sohn überwintern wird.« Es war ihr gelungen, den König von Navarra fassungslos zu machen.
»Aber das würde bedeuten, daß Ihr mitten im Winter die Alpen überqueren müßt!« stieß er hervor.
Alienor zuckte die Achseln. »Und was weiter?«
Sancho mußte sich setzen. »Ihr verlangt von mir also«, sagt er langsam, »daß ich meine Tochter auf gut Glück durch halb Europa schicke, um sie mit einem Mann zu vermählen, der öffentlich versprochen hat, eine andere zu heiraten?« Um Alienors braune Augen gruben sich tausend winzige Lachfältchen, das einzige sichtbare Zeichen ihrer Belustigung.
»Nein«, erwiderte sie, »ich erwarte von Euch, daß Ihr Eure Tochter dem Herrscher über das neben dem Heiligen Römischen Reich bedeutendste Reich im Abendland vermählt, einem Mann, der sich daneben schon großen Ruhm als Feldherr erworben hat, einem Mann endlich, der Eurer Tochter als Morgengabe seine persönlichen Güter in der Gascogne übertragen wird.«
Sanchos Blick wurde starr. »In der Gascogne?« fragte er mehr als interessiert.
Alienor nickte. »Und Ihr könnt damit rechnen, daß die Handelsbeziehungen mit Aquitanien blühen und gedeihen werden.«
Sancho gelang es mühsam, seine Begeisterung im Zaum zu halten.
»Aber warum tut Ihr das?« fragte er mißtrauisch. »Euer Sohn könnte jede Prinzessin in Europa heiraten.«
Alienor blinzelte ihm zu. »Nun, Euer Gnaden, wir sind doch Nachbarn, und ich rechne natürlich damit, daß Ihr mit Euren Soldaten sofort einschreiten werdet, falls sich in Richards Abwesenheit eine Rebellion oder Verschwörung oder sonst etwas dergleichen an-bahnt.«
Der König von Navarra murmelte etwas in sich hinein und stand auf. »Wir werden morgen weiter darüber reden«, sagte er nachdenklich. Alienor nickte. »Das werden wir.«
Sizilien mit seiner dunklen, fruchtbaren Erde, den üppigen Getreidefeldern, den Weinbergen und der eigenartigen Bevölkerung, die teils aus Normannen, aus Griechen, teils aus italienischen Sizilianern und aus Arabern bestand, erschien den meisten Kreuzfahrern schon wie ein Vorhof des Orients. Nichtsdestoweniger war Richard nicht besonders glücklich darüber, durch die widrigen Herbstwinde in Messina festgehalten zu sein.
Immerhin konnte er so unerwartet seiner jüngsten Schwester Joanna aus einer bösen Lage helfen. Nach dem Tod des Königs von Sizilien war Joanna von dessen illegitimem Vetter Tankred gefangengenommen worden. Tankred hatte sich den Thron angeeignet, den auch der neue Kaiser Heinrich IV. für sich beanspruchte.
Indessen genügte der Anblick von Richards
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