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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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seine Laute. Seine Mutter war frei, je-de Entfremdung zwischen ihnen verschwunden, er war König, und die Jahre lagen wie ein goldenes fruchtbares Feld vor ihm. Er spielte Alienor sein neues Lied vor, und sie lächelte ihn an. Sie hatte sich in demselben Moment nach Musik gesehnt, und Richard vor all ihren anderen Kindern hatte immer die Begabung besessen, sich in ihre Stimmungen einzufühlen. Sie liebte ihn so und war so stolz auf ihn, daß sie sich überreden ließ, in seinen Gesang mit einzustimmen, als er in eine beliebte aquitanische Ballade überging.
    »Der Himmel wird uns strafen«, sagte Alienor lachend, als sie geendet hatten, »bei diesem Klang muß Gott selbst vor Schreck von seinem Thron gefallen sein. Ach, Richard, ich würde gern noch mehr hören, aber wir müssen noch vieles besprechen. Wie bist du mit Philippe verblieben?«
    »Ich behalte meine Eroberungen und zahle ihm 20.400 Silbermark. Und er wird mich auf dem Kreuzzug begleiten.«
    »Richtig«, sagte Alienor ohne große Begeisterung, »der Kreuzzug.«
    Das war ein Zug an Richard, der ihr fremd war: seine Begeisterung für ritterliche und christliche Ideale. Sie hatte seinerzeit das Kreuz hauptsächlich aus Fernweh genommen, nicht mit dem Ziel, der Christenheit zu helfen, und sie zweifelte daran, ob Richards Entschluß, so bald wie möglich sein Gelübde zu erfüllen, so unbedingt klug war. Andererseits wußte sie genau, daß er sich nicht aufhalten lassen würde - war er doch genauso starrköpfig wie sie.
    »Vor dem Kreuzzug«, sagte sie, »müssen wir klären, was mit Alais geschieht.« Richard sah entsetzt aus. »Mutter, ich kann sie unmöglich heiraten. Es wäre… es wäre so etwas wie Blutschande in meinen Augen. Ich kann Philippe noch eine Weile versprechen, es zu tun, damit er vorerst die Sache mit dem Vexin auf sich beruhen läßt, aber Alais tatsächlich heiraten…«
    »Ich glaube«, sagte Alienor knapp, »es ist auch ihr so lieber. Aber du mußt heiraten und für einen Erben sorgen, bevor du deinen Kreuzzug beginnst, wenn nicht Alais, dann eine andere Prinzessin - und möglichst eine, deren Vater mit Philippes Zorn fertig wird.«
    Richard starrte auf seine Hände. »Ich weiß.« Alienors forschender Blick zwang ihn, ihren Augen wieder zu begegnen, und er sagte zögernd: »Mir ist klar, daß ich heiraten muß, aber…«
    Alienor unterbrach ihn. Es gab Geständnisse, die sie nicht hören wollte, und sie fragte, ihm das Wort abschneidend: »Richard, worauf es ankommt, ist nur eines: Bist du in der Lage, Kinder zu zeugen?«
    Richard errötete ein wenig. »Ja. Ich habe einen Bastard. Aber es…
    wie soll ich es Euch erklären, Mutter, es… fällt mir sehr schwer, und dieses Kind war auch eher ein Unfall.«
    Alienor legte ihm eine Hand auf die Schulter. Schön, dachte sie, die Gerüchte sind also wahr. Sie fühlte tiefes Mitleid mit ihm, doch als König hatte er nicht das Recht, seinen persönlichen Neigungen nachzugeben. »Es wird schon alles in Ordnung kommen, mein Sohn«, sagte sie sanft.

    Richard wurde am dritten September 1189 zum König von England gekrönt. Bei dem feierlichen Einzug in die Kathedrale trug William Marshall das Zepter, und unter Richards Gefolge befanden sich seine drei Brüder, John, der das Zeremonienschwert trug, Ralph, der widerwillige Erzbischof von York, und Will, der Graf von Salisbury, dem Richard bereits zusätzliche Ländereien versprochen hatte.
    Das feierliche Bankett, das sich an die Krönungsmesse anschloß, zog sich bis tief in die Nacht hinein. Alle Würdenträger des Adels und der Kirche waren geladen, und man tafelte in einem Stil, den der alte König als sündhafte Verschwendung charakterisiert hätte.
    Es war am späten Abend, als John, der sich von der Feier zurückgezogen hatte und in seinem Zimmer vor dem Kaminfeuer saß, ein Klopfen hörte. Er antwortete nicht, die Tür öffnete sich leise, und jemand betrat den Raum.
    »Was wollt Ihr?« fragte er schroff, ohne sich umzudrehen, und dann, noch ärgerlicher, weil er indirekt zugegeben hatte, daß er sie schon an den Schritten erkannte: »Heute ist doch Euer großer Tag, Mutter, also warum feiert Ihr nicht weiter den vollkommenen Richard?«
    Alienor kam zu ihm und setzte sich. Sie musterte ihn aufmerksam.
    »Und warum bist du nicht dort unten?« fragte sie zurück. »Die Krönung kann kaum so bitter für dich gewesen sein, wenn man bedenkt, daß dir Richard mehr als ein halbes Dutzend Grafschaften übertragen hat - Cornwall, Devon, Dorset,

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