Die Löwin von Aquitanien
irritiert,
»wir können doch unmöglich mit den Moslems Handel treiben?«
»Nein«, erwiderte Alienor schmunzelnd, »aber mit Zypern und mit Pisa und Genua, die Richard ihre Schiffe zur Verfügung stellen.
Sie ziehen sehr viel Gewinn daraus, also könnten sie uns eigentlich günstige Bedingungen einräumen. Wir brauchen Geld, wenn sich Philippe wieder etwas Neues einfallen läßt. Übrigens«, fügte sie hinzu, »würde ich an Eurer Stelle über den Handel zwischen Moslems und Christen im Heiligen Land nicht so sicher sein. Wozu hat Richard die Küstenstädte erobert?«
Der Erzbischof bekreuzigte sich insgeheim und meinte, daß es auch nur die Königin fertigbrachte, eine Pilgerfahrt mit Handelsvorteilen in Beziehung zu bringen. Der Rest der Bevölkerung vernahm mit Enttäuschung, daß Richard kurz vor Jerusalem hatte umkehren müssen, da die Versorgung nicht gesichert war und Saladin alle Quellen in der Umgebung entweder trockengelegt oder verseucht hatte, dies mitten im Sommer. Alienor war eher erleichtert. Sie wollte Richard wieder in England sehen.
Im August erhielt Alienor Besuch von ihrer Tochter Marie. Maries ältester Sohn, Henri de Champagne, hatte Richard begleitet, so daß sie viele Gründe hatte, nach England zu kommen. In Frankreich trafen derzeit nur spärlich Nachrichten über den Kreuzzug ein. »Philippe hat etwas gegen Neuigkeiten aus dem Heiligen Land«, erzählte Marie spöttisch, »weil die Leute immer noch sagen, er hätte Richard gegen die Ungläubigen im Stich gelassen.«
»Ich beantworte gerade einen neuen Beschwerdebrief von ihm über Alais und das Vexin.« Alienor dehnte sich. »Briefe an Philippe zu schreiben, hält mich jung. Ich kann sonst niemandem so überhebliche Antworten schicken.«
Marie legte voll Zuneigung ihre Hand auf die ihrer Mutter. »Ich glaube, Ihr seid die einzige, die mit Philippe fertig werden kann. Er ist ebenso mein Bruder wie Richard, aber Gott möge mir verzeihen, ich vergesse es immer öfter.«
»Ja, er hat rein gar nichts von seinem Vater«, sagte Alienor, »was für sein Königreich nicht schlecht sein mag.«
Marie sah sie fragend an, und Alienor zwinkerte ihr zu.
»Liebes, du mußt doch in den letzten vierzig Jahren gemerkt haben, daß alles, was auf einem Thron sitzt, so rücksichtslos wie möglich sein muß, um am Leben zu bleiben. Und Louis war der rücksichtsvollste Mensch, der mir je begegnet ist.«
Marie war achtundvierzig Jahre alt, doch sie hatte noch nie gewagt, mit ihrer Mutter über Louis zu sprechen.
»Habt Ihr meinen Vater eigentlich je geliebt?«
Alienor faltete ihren Brief methodisch zusammen, dann schaute sie auf ihre älteste Tochter. »Das ist eine schwierige Frage. Ich hatte ihn sehr gern, wenn er mich auch manchmal in seiner ewigen Güte zur Raserei trieb. Vielleicht habe ich ihn auch in gewisser Weise geliebt, aber nicht wie eine Frau einen Mann liebt, eher wie eine Mutter ihr Kind. Ich kann dir nur sagen, daß ich fünfzehn Jahre lang mit einem sehr guten Mann verheiratet war und achtunddreißig Jahre mit seinem genauen Gegenteil, und trotzdem kommen mir diese achtunddreißig Jahre sehr viel kürzer vor, denn in den Jahren mit Louis habe ich mich viel zu oft gelangweilt.«
Marie schwieg. Sie war nahe daran, auch nach Henry zu fragen, doch Alienor wechselte vorsorglich das Thema.
»Aber sprechen wir nicht von der Vergangenheit, sondern von der Zukunft. Du kannst sehr stolz auf deinen Sohn sein, Marie.«
»Ich habe gar nicht richtig begriffen, wie alles gekommen ist«, sagte Marie mit einem schwachen Lächeln, »wie ich Euch schon erzählte, die Nachrichten in Frankreich fließen sehr spärlich.«
Alienor stand auf, und sie verließen beide das Gemach, um in den Schloßgarten zu gehen. Dabei begann die Königin ihre Erzählung:
»Du weißt vielleicht, daß sich Konrad von Montferrat und Guy de Lusignan um die Königswürde von Jerusalem stritten, ungeachtet der Tatsache, daß Jerusalem nach wie vor in Saladins Händen liegt. Richard entschied schließlich, dem Streit ein Ende zu machen; außerdem brauchte er Montferrats Truppen. Er rief seine Hauptleute zusammen, um abzustimmen, wer König von Jerusalem werden sollte, und sie stimmten für Konrad von Montferrat, weil sie nicht glaubten, daß Guy sich gegen ihn durchsetzen könnte.«
»Und Guy de Lusignan?« fragte Marie. »Die Lusignans haben doch noch nie freiwillig ein Gebiet abgegeben.«
»Vielleicht half ihm die unbedeutende Kleinigkeit, daß er es gar nicht mehr
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