Die Löwin von Aquitanien
hatte«, entgegnete Alienor ironisch. »Außerdem übertrug ihm Richard Zypern als Lehen, was wirklich eine großzügige Entschädigung für ein von Saladin besetztes Königreich ist.«
Marie nickte zustimmend. »Aber wie kam nun Henri ins Spiel?«
»Nun, dein Sohn sollte Konrad die frohe Kunde schonend beibringen, er saß ja schmollend in Tyrus und weigerte sich, mit Richard zu sprechen. Das tat er auch, doch kaum war Henri wieder ab-gereist, da wurde Konrad von zwei Meuchelmördern umgebracht - Moslems, die ein Mann geschickt hatte, den sie dort ›der Alte vom Berge‹ nennen. Richard hat versprochen, mir in seinem nächsten Brief ausführlich über ihn zu berichten. Wie auch immer, Jerusalem war wieder einmal ohne König, denn Guy de Lusignan hatte offiziell darauf verzichtet. Konrad von Montferrats Anspruch gründete sich allerdings hauptsächlich auf seine Ehe mit Isabella von Jerusalem.«
»Worauf Richard anordnete, daß Henri sie heiraten sollte«, vollendete Marie.
»So ist es«, sagte ihre Mutter, »und damit kann sich dein Sohn jetzt König von Jerusalem nennen.«
Auf Maries Stirn standen zwei feine Falten. »Diese Ermordung kommt mir seltsam vor.«
Alienor verzog den Mund. »Sie hat auch dementsprechend viel Gerede verursacht. Man hat behauptet, daß Saladin diesen Alten vom Berge bestochen haben könnte, Konrad und Richard ermorden zu lassen, damit er sie beide los wäre, der Alte jedoch nur Konrad seine Mörder auf den Hals schickte, weil er wußte, daß Saladin sonst die Hände frei hätte, um sich gegen ihn zu wenden. Du mußt wissen, Saladin und der Alte haben schon mehrmals gegeneinander gekämpft. Aber Richard schreibt, Saladin würde sich nie dazu herablassen, Meuchelmörder zu dingen, dazu sei er viel zu stolz. Ein Teil der Gerüchte beschuldigt natürlich Richard selbst, was Unsinn ist, und andere behaupten, es sei ein Racheakt von Guy de Lusignan oder Humphrey von Toron, Isabellas erstem Gemahl, gewesen.«
»Wir werden es wohl nie erfahren«, sagte Marie nüchtern. Sie hängte sich bei ihrer Mutter ein. »Ein Glück, daß Philippe nicht lange genug im Lande war, um sich mit dem Alten vom Berge zu verbrüdern.«
»Ja«, bemerkte Alienor, »es müssen Zwillingsseelen sein.«
In diesem Sommer häuften sich die beunruhigenden Nachrichten.
Der nächste Schachzug des Königs von Frankreich war, sich mit Heinrich von Hohenstaufen zu verbünden, der gerade dabei war, seinen zweiten Feldzug gegen Sizilien zu planen. Sein erster Angriff hatte für ihn sehr schlecht geendet; seine Gemahlin Constance war in die Hände Tankreds gefallen, der sie als Geisel hielt. Alienor war von schlechten Vorahnungen erfüllt, wenn sie daran dachte, was dieses Bündnis wohl bezwecken mochte. Immerhin hatte Kaiser Heinrich bei seinen sizilianischen Plänen wenigstens keine Zeit, Philippe bei einem eventuellen Angriff in der Normandie militärische Hilfe zu leisten.
Im August versuchte Saladin noch einmal, Jaffa zurückzuerobern, mit der Absicht, den von Richard beherrschten Küstenstreifen an der entscheidenden Stelle zu teilen. Doch Richard schlug den Überraschungsangriff zurück, obwohl er wie viele seiner Soldaten bei der Attacke keine Zeit hatte, seine volle Rüstung anzulegen, und ohne Beinschienen kämpfte. Mit zehn Rittern führte er zu Pferde seinen Gegenangriff.
Doch kurz nach diesem Sieg wurde er schwer krank, und nahm daher wieder seine Verhandlungen mit Saladin auf. Der Erschöpfung auf beiden Seiten nachgebend, einigten sie sich darauf, einen dreijährigen Waffenstillstand zu schließen. Die Küste von Tyrus bis Jaffa wurde als christliches Gebiet anerkannt, Jerusalem selbst durfte von Pilgern, sofern sie ohne Waffen kamen, besucht werden. Saladin bot Richard persönliches Geleit für einen Besuch der Heiligen Stätten, aber Richard lehnte ab. Er hatte geschworen, Jerusalem nur zu betreten, wenn er es erobert hatte. Doch eine noch längere Abwesenheit von seinem Königreich konnte er nicht verantworten. So entschied er sich, den Kreuzzug zu beenden.
Die Vorbereitungen für seine Rückkehr erwiesen sich als unerwartet schwierig. Heinrich von Hohenstaufen hatte mit den Genuesern und Pisanern einen Vertrag geschlossen, der sie verpflichtete, ihm alle seine Feinde auszuliefern.
Der Weg über einen norditalienischen Hafen fiel also aus, ebenso über einen südfranzösischen, denn alle Häfen dort gehörten zu dem Gebiet des rachsüchtigen Grafen von Toulouse. Die Straße von Gibraltar zu durchqueren
Weitere Kostenlose Bücher