Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
kam auch nicht in Frage, da beide Ufer unter moslemischer Oberherrschaft standen. Der nicht-toulousanische Teil der französischen Küste fiel unter Philippes Herrschaft, und das Rheinland, das Richard durchqueren mußte, wollte er größtenteils den Landweg nehmen, unterstand selbstverständlich dem Staufer.
    Am Ende entschied er sich, als einfacher Pilger verkleidet zu reisen.

    Alienor wartete den ganzen Herbst auf Nachricht von ihrem Sohn.
    Joanna und Berengaria waren schon längst in relativer Sicherheit in Rom und die meisten normannischen und angelsächsischen Pilgerfahrer zurückgekehrt, aber es gab noch immer keine Spur von Richard. Sie setzte einen hohen Lohn für denjenigen aus, der ihr als erstes von Richards Rückkehr berichten konnte, und es war einer der Spione, den sie mit Maries Hilfe am französischen Hof eingeschmuggelt hatte, der kurz nach Weihnachten zu ihr kam, um sich diese Belohnung zu verdienen.
    Es handelte sich um einen kleinen Mann mit wieselflinken Augen, der ihre Verbindung zu Philippes Schreiber, welcher in Alienors Sold stand, unterhielt. »Was gibt es Neues?« fragte Alienor ungeduldig.
    Sie war natürlich immer an Philippes Plänen interessiert, doch im Augenblick lag ihr mehr daran zu erfahren, wo in Europa Richard sich aufhielt. Nach allem, was sie wußte, konnte er in einem Sturm ertrunken, von Räubern erschlagen oder von einer Lawine verschüttet worden sein.

    »Wieviel«, fragte ihr Spion lauernd, »ist meiner Königin die Abschrift eines Briefes von Kaiser Heinrich VI. an König Philippe wert?«
    »Den üblichen Preis«, sagte Alienor kühl, »zuzüglich der Tatsache, daß ich Euren Herrn nicht enttarne, wie ich es leicht könnte, wenn er zu gierig wird. Schließlich gibt es noch andere Leute am französischen Hof, die mir Nachrichten liefern.«
    Der Mann ließ sich nicht beirren. »Nicht diese Nachricht. Sie ist erst am achtundzwanzigsten Dezember bei König Philippe eingetroffen, und ich habe mich sofort auf den Weg über den Kanal gemacht.«
    Er wartete einen Moment und fügte dann mit dramatischer Geste hinzu: »Sie betrifft König Richard!« Er hatte gehofft, daß die Königin auffahren würde, doch sie blieb völlig beherrscht. Lediglich in ihren Augen glaubte er ein kleines Aufblitzen erkennen zu können.
    »Guter Mann«, sagte sie herablassend, »was meint Ihr, wie viele Geschichtenerzähler in diesen Tagen auftauchen und behaupten, von meinem Sohn zu wissen? Ich hätte mehr von Euch erwartet.«
    »Aber es ist wahr«, beteuerte er gekränkt, » Euch wird kein Preis zu hoch sein, Euer Gnaden, wenn Ihr den Brief erst gesehen habt.«
    »Dann laßt ihn mich erst sehen«, sagte Alienor kalt. »Ich zahle nicht für unbekannte Ware. Wenn er Eure Forderungen wert ist, werdet Ihr und Euer Herr entsprechend belohnt werden.«
    Der Spion lieferte ihr resigniert die Abschrift des Briefes aus und dachte erbost, daß alles, was er über diese Frau gehört hatte, richtig war. Nur eine herzlose Teufelin brachte es fertig, so kaltblütig über das Schicksal ihres Sohnes zu verhandeln.
    Alienor las. Sie blieb reglos, nur die Fingernägel gruben sich unwillkürlich in ihre Handballen. Dann stand sie jählings auf und sagte:
    »Es ist gut. Ich werde Euch das Doppelte bezahlen, und wenn Ihr mir mehr von Philippes Plänen liefert, werde ich Euch wiederum entsprechend belohnen. Geht jetzt.«
    Als der Spion sich entfernt hatte, rief sie nach einem Diener und befahl, sofort den Kanzler zu ihr zu holen. Der Erzbischof von Rouen hatte sich bereits zu Bett gelegt und traf, höchst unzureichend gekleidet und ein wenig ungnädig über die späte Störung, bei der Königin ein. Er sah sie aufrecht neben dem Feuer stehen und fragte sich unwillkürlich, ob sie denn niemals müde wurde. Es war etwas Unnatürliches dabei; in ihrem Alter waren die meisten Leute tot oder schwachsinnig.
    Sie drückte ihm ohne ein Wort den Brief in die Hand. »Lest«, sagte sie knapp.
    Der Kanzler überflog hastig die formelle Einleitung und erstarrte, als er an den Kern des Schreibens kam.
    »Es ist Uns daran gelegen, Euer Hoheit durch den vorliegenden Brief davon in Kenntnis zu setzen, daß zu der Zeit, als der Feind Unseres Kaiserreiches und der Unruhestifter Eures Königreiches, Richard, König von England, über das Meer fuhr, um in sein Land zurückzukehren, sein Schiff scheiterte und widrige Winde ihn nach Istrien trieben… Da die Straßen gebührend überwacht und überall Posten aufgestellt waren, hat sich Unser

Weitere Kostenlose Bücher