Die Löwin von Aquitanien
lieber wohllöblicher Vetter Leopold, Herzog von Österreich, der Person des genannten Königs bemächtigt, und zwar traf er ihn in einer bescheidenen Bauernhütte in der Nähe von Wien…«
Der Erzbischof schnappte nach Luft und ließ sich schwer auf einen Schemel sinken. »O mein Gott!«
»Euch ist klar, was das bedeutet?« fragte die Königin scharf. Sie brauchte seine Mitarbeit, keine Beteuerungen seiner Fassungslosigkeit oder seines Mitleids. »Erstens«, zählte sie auf, »müssen wir sofort Männer losschicken, um herauszufinden, wo Richard gefangengehalten wird. Zweitens müssen wir mit Heinrich und Leopold in Verhandlungen treten, um zu erfahren, was sie für seine Freilassung verlangen, und drittens… was glaubt Ihr wohl, was Philippe jetzt tut?«
Walter de Coutances begriff schnell. »John!« stieß er hervor.
Alienor nickte. »Ich wette, daß er bereits auf dem Weg nach Paris ist. Philippe wird ihn sofort benachrichtigt haben. Wir müssen schleunigst ein Heer zur Verteidigung der Kanalküste zusammenstellen.«
»Dem Herrn sei Dank, daß wenigstens ein Teil der Kreuzfahrer wieder hier ist«, murmelte der Erzbischof. Dann dachte er wieder an den ungeheuerlichen Brief.
»Es ist Sakrileg«, sagte er, als nütze das irgend etwas, »einen Pilger gefangenzunehmen.«
Alienor entgegnete verächtlich: »Erklärt das Leopold von Österreich und Heinrich von Hohenstaufen! Oh, ich werde an Euren Papst schreiben, aber glaubt Ihr im Ernst, daß er den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches exkommunizieren wird, wo doch seine Vorgänger schon Schwierigkeiten genug mit Heinrichs Vater Friedrich hatten?«
Walter de Coutances stöhnte. »Dies irae! Es ist eine Katastrophe.«
»Es ist vor allem höchste Zeit zu handeln.«
Der Erzbischof nahm sich zusammen und besprach mit Alienor die nächsten Schritte, die sie unternehmen würden. Als er sich bei Morgengrauen von ihr verabschiedete, blickte er nochmals auf die einsame, schmale Gestalt der Königin zurück. Sie hielt wieder die Abschrift von Heinrichs Brief in der Hand, doch ihre ganze Körperhaltung drückte ungebrochene Lebenskraft aus, und ihr Kinn war herausfordernd gehoben. Alienor von Aquitanien hatte begonnen, mit dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, dem König von Frankreich und ihrem eigenen Sohn um Richards Freilassung zu kämpfen.
»Also«, sagte Philippe, »wir verstehen uns?«
John nickte. Er war im Eilmarsch nach Paris gekommen. »Ich werde meine Ehe mit Avisa annullieren lassen und Alais heiraten; und Ihr bekommt das Vexin einschließlich des normannischen Teils und der Festung Gisors.« Er lehnte sich in dem bequemen Sessel zurück.
Sie sprachen in Philippes Privatgemach, und der König von Frankreich hatte Sorge getragen, daß so wenig Menschen wie möglich von Johns Anwesenheit an seinem Hof erfuhren. Noch sollte sein Bündnis mit John geheim bleiben.
»Jetzt zählt allein Schnelligkeit«, sagte John. »Bevor der Kaiser Richards Gefangennahme öffentlich bekanntgibt, und er wird es tun, um an sein Lösegeld zu kommen, müssen wir unseren Vorteil ausnutzen. Niemand weiß, ob er lebt oder tot ist. Ich werde mich unter Berufung auf Richards Tod zum König ausrufen lassen. Das Volk glaubt doch, was es glauben soll.«
»Aber die Barone wohl nicht, jedenfalls zum Teil, und wie steht es mit Eurer Mutter, der Königin?«
Johns Miene war ausdruckslos. »Ich werde mit ihr fertig. Natürlich wird sich die Geschichte von Richards Tod nicht ewig halten lassen, aber die Hauptsache ist, daß meine Invasion in England gelingt, bevor der Kaiser seine Forderungen gestellt hat. Könnt Ihr ihn so lange zurückhalten?« Der König von Frankreich zuckte die Achseln.
»Er verhandelt ohnehin im Moment noch mit Leopold von Österreich über die Summe, die Richards Überführung in seine kaiserliche Gewalt ihn kosten wird«, sagte er und lachte leise. »Ihr müßt wissen, der gute Leopold hat es nämlich gar nicht so eilig, Euren Bruder seinem Kaiser zu überlassen. Er möchte zu gerne selbst sein Mütchen an ihm kühlen. Richard und er haben noch eine alte Rechnung zu begleichen.«
»Um so besser«, meinte John. »Dann können wir mit etwas Aufschub rechnen. Habe ich Euer Versprechen, daß der neue Graf von Flandern mich unterstützt?«
»Ihr habt es. Außerdem habe ich Aimar d’Angoulême auf meine Seite gezogen; er wird im Poitou angreifen.«
John lächelte flüchtig. »Drei Kriegsschauplätze - England, das Poitou und Euer Angriff auf die
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