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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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wurde. Und wie amüsant es erst wäre, wenn Richard das sehen würde!
    Gilbert de Vascoeuil, der Kastellan von Gisors, näherte sich auf einem Schimmel dem französischen Lager, schwang sich vor Philippe aus dem Sattel und kniete nieder. Langsam lockerte er sein Wehrgehenk und legte Philippe sein Schwert vor die Füße. »Gisors gehört Euch, mein König«, sagte er düster.
    Philippe brachte die Zeremonie so schnell wie möglich hinter sich. Er hatte es eilig. Einer seiner Kanzleischreiber sagte ehrfürchtig zu ihm: »Das ist ein großer Tag für Euer Gnaden.«
    »Ja«, erwiderte Philippe zufrieden. Mit Gisors in der Hand lag die Normandie nun offen vor ihm. Sein nächstes Ziel war Rouen. »Ich möchte nur wissen«, sagte er mehr zu sich selbst, »warum dieser John so lange braucht, um seine Invasion in England durchzuführen.«

    Die Königin saß in einem der Gemächer der Burg von Winchester, das einst von ihrem Gemahl bewohnt worden war. Das Wandgemälde zeigte einen Adler, der von seinen Jungen angefallen wurde. »Becket sagt, es zeigt meine Zukunft«, hatte der junge König belustigt zu seiner Gemahlin gesagt, die gerade mit ihrem fünften Kind schwanger gewesen war, und sie hatten beide darüber gelacht.
    Sie überflog die Listen mit den Steuern, die sie erhoben hatte, um das Lösegeld zusammenzubekommen. Heinrichs neueste Bedingungen schlossen eine Summe von 150.000 Silbermark ein, 70.000 davon sofort zahlbar. Außerdem wollte er Geiseln. Alienor hatte jeden Bürger mit einer Einkommensteuer von fünfundzwanzig Prozent belegt; von ihren Baronen forderte sie wesentlich mehr und versicherte zum Trost, daß ihre Spenden namentlich eingetragen würden, damit man später wisse, wieviel Dank der König ihnen schulde.
    »Was ist mit dem Gold aus den Kirchenschätzen?« fragte sie den Kanzleischreiber, Pierre de Blois, der schon unter Henry zu Ehren aufgestiegen war.
    »Sie fließen mühsam, meine Königin.«
    Alienor zog eine Grimasse. »Wirklich ungerecht von mir, die hochwürdigen Bischöfe und Äbte vor so eine Wahl zu stellen - ihr Gold oder ihr Kreuzfahrerkönig.« Sie legte die Steuerlisten beiseite.
    »Aber wir müssen das Geld zusammenbekommen, Pierre, so schnell wie möglich. Philippe ist weit in die Normandie vorgestoßen.«

    »Doch Prinz John konnte wegen der Stärke Eurer Verteidigung noch immer nicht in England Fuß fassen«, meinte der Kanzleischreiber tröstend. »Nun«, sagte Alienor plötzlich mit einem etwas boshaften Lächeln, »man sollte die Entschlußfreudigkeit der Kirchen etwas beschleunigen. Ich bin genau in der richtigen Stimmung, um an den Heiligen Vater zu schreiben - unseren verehrten Coelestin, der außer dem Bann auf Leopold noch keinen Finger gerührt hat, obwohl das seine Aufgabe wäre.« Sie legte die Listen beiseite und begann laut und klar zu diktieren.
    »Alienor, durch Gottes Zorn Königin von England - wehe, wenn Ihr das abmildert, Pierre, ich lese mir den Brief genau durch -, an den Heiligen Vater, den Bischof von Rom, Stellvertreter Christi, et cetera, et cetera. Was die Kirche betrübt, worüber das Volk murrt und seine Achtung vor Euch verliert, ist, daß Ihr trotz der Tränen und Wehklagen ganzer Provinzen noch keinen einzigen Boten geschickt habt. Oft wurden für Dinge von geringerer Bedeutung Eure Kardinäle mit unbeschränkten Vollmachten bis ans Ende der Welt gesandt…«
    »Euer Gnaden«, protestierte Pierre de Blois, »so spricht man nicht mit dem Heiligen Vater.« Alienor hob die Augenbrauen. »Ich tue es, das hört Ihr doch. Wenn man mit Bitten nichts erreichen kann, muß man mit Päpsten so umspringen. Coelestin hat in Rom auf mich den Eindruck eines eher schwachen Mannes gemacht, der nur darauf aus ist, den stärksten und furchtbarsten Herrscher nicht zu verärgern, und ich werde ihm klarmachen, daß ich noch furchtbarer sein kann als Heinrich.«
    Der Kanzleischreiber hob ergeben die Schultern, griff zur Feder und fuhr fort, niederzuschreiben, was Alienor ihm sagte.
    »Doch in einer so verzweifelten und traurigen Lage habt Ihr noch nicht einmal einen Subdiakon oder einen Meßgehilfen ausgeschickt.
    Könige und Fürsten haben sich gegen meinen Sohn verschworen; man hält ihn in Banden, während andere seine Länder verwüsten.
    Und die ganze Zeit über bleibt das Schwert des heiligen Petrus in der Scheide. Dreimal habt Ihr versprochen, Legaten zu schicken, und habt es nicht getan. Wenn es meinem Sohn gutginge, würden sie auf seinen Ruf hin sofort angelaufen

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