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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Aufregung über diese Kunde ein wenig gelegt hatte, dann sprach sie weiter, und jeder Bürger hätte später schwören können, daß die braunen Augen der Königin direkt auf ihn gerichtet waren.
    »Wenn je ein König seinem Volk zu Dank verpflichtet war, wenn je ein Volk weit mehr getan hat, als seine Lehnspflicht treu zu erfüllen, dann wart ihr es. Ich danke euch, gute Leute, ich danke euch aus ganzem Herzen.«
    »Man darf behaupten, daß Ihr die Rednerkunst erfolgreich studiert habt, Euer Gnaden«, sagte der kaiserliche Gesandte später säuerlich, als der ohrenbetäubende Lärm selbst im Inneren der Kathedrale nicht verklungen war, »Cicero oder Quintilian?«
    »Alienor von Aquitanien«, sagte die Königin mit einem lieblichen Lächeln. »Was ist, wollt Ihr jetzt mit Eurer Prüfung beginnen?«
    Der Gesandte und seine Männer machten sich umständlich daran, die Münzen und die zahlreichen Pokale, Monstranzen und Kruzifixe auf die bereitgestellten Waagen zu legen - aber erst, nachdem sie die Gewichte überprüft hatten.
    »Das ist beleidigend«, flüsterte der Bürgermeister von London zornig.
    »Nur für den, der sich beleidigen läßt«, sagte Alienor trocken.
    »Der Kaiser hat keinen Anlaß, mir zu trauen, genausowenig wie ich ihm vertraue.« Ihr Blick wanderte über die aufgetürmten Schätze.
    »Ich wage zu behaupten, daß die Briefe Euer Gnaden an Seine Heiligkeit den Papst sehr erfolgreich waren«, sagte der Erzbischof von Canterbury, ihren Augen folgend, »noch nie habe ich meine Bischöfe und Äbte so willig gefunden wie nach der Interdiktsdrohung.«
    Grübchen zeigten sich in ihren Wangen. »Bei Interdikt fällt mir immer der König von Frankreich ein«, erwiderte sie heiter.
    Der Erzbischof nickte. »Er wird sich mittlerweile fragen, ob Ihr mit dem Teufel im Bunde seid - der Papst hat die Annullierung seiner Ehe nicht anerkannt und ihm mit dem Interdikt gedroht, und die Braut, die er haben wollte, hat heimlich Euren Enkel geheiratet.«
    »Er hätte sich daran erinnern sollen«, sagte sie, »daß die Plantagenets nicht umsonst mit Dämonen verwandt sind, und daß kein Herzog von Aquitanien sich je einem König von Frankreich gebeugt hat.«

    Im Winter 1193 überquerte Alienor wieder einmal den Kanal. In ihrer Begleitung waren Walter de Coutances, Erzbischof von Rouen, William Longchamp und einige ihrer aquitanischen Vasallen sowie deren Ritter. Dieser große Konvoi schien ihr zur Bewachung der immensen Summe Lösegelds unbedingt notwendig.
    Um sich möglichst wenig Gefahren auszusetzen, hatte Alienor beschlossen, nicht den direkten Weg durch feindliches Land zu nehmen, sondern den weiteren Seeweg und dann rheinaufwärts, so daß sie direkt im Herrschaftsgebiet des deutschen Kaisers an Land gehen konnte.
    Im Januar des neuen Jahres erreichte sie Köln. Dort erwartete sie Adolf von Altona, den der Kaiser ihr entgegengeschickt hatte, mit einer unangenehmen Neuigkeit. »Ihr werdet nicht gleich nach Mainz weiterreisen können, um Euren Sohn zu sehen«, sagte der fettleibige, kahlköpfige Mann. »Der Kaiser besteht darauf, daß nichts vor dem vereinbarten Freilassungstag geschieht.«
    »Ich frage mich, was das zu bedeuten hat«, wandte sich Alienor nachdenklich an Walter de Coutances und William Longchamp, während ihre Kammerfrauen die Reisetruhen auspackten, um sich in dem erzbischöflichen Palast einzurichten.
    »Glaubt Ihr, daß Heinrich doppeltes Spiel treibt?« erkundigte sich Longchamp.
    Alienor ging rastlos auf und ab. »Gewiß tut er das, aber welches?
    Er kann nicht von dem Vertrag über Richards Lösegeld zurücktreten, ohne sich vor aller Welt ins Unrecht zu setzen. Doch das hat er ohnehin schon getan, und was bedeutet das einem Mann wie Heinrich?« Sie wandte sich an den Erzbischof von Rouen: »Wie hieß noch einmal dieser Fürst, mit dem wir zusammengetroffen sind - Albrecht von…?«
    »Albrecht von Meißen«, half Walter de Coutances, der ein hervorragendes Gedächtnis hatte.
    »Also«, sagte Alienor, »soweit ich mich erinnere, hat er erwähnt, daß er auf dem Weg zum kaiserlichen Hof in Mainz war. Wir werden einen Mann zu ihm schicken, möglichst einen, der die Landessprache versteht, damit er nicht auffällt, und ihn vorsichtig um Auskünfte bitten. Schließlich ist er Richard verpflichtet. Vielleicht hilft das.«
    Es war kurz nach Dreikönig, und Alienor machte gerade einen kleinen Spaziergang durch den verschneiten Garten des Palasts, als die Antwort kam. Es schneite ein wenig, doch die

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