Die Löwin von Aquitanien
sollen wir sonst anderes tun, außer aufzugeben, und das werde ich nie!«
Sein Onkel hielt es nach wie vor für Wahnsinn und wandte sich hilfesuchend an die Königin.
»Louis hat recht«, sagte Alienor unerwarteterweise. »Wir haben keine andere Wahl. Außerdem ist es seine Entscheidung, und er ist der König.«
Louis’ Miene hellte sich auf. Er war dankbar gewesen, daß Alienor darauf verzichtet hatte, an ihre Prophezeiung von Konstantinopel zu erinnern. Ihre offene Unterstützung gab ihm neue Kraft. »Gott wird uns helfen!« wiederholte er zuversichtlich.
Ionien und Lydien, die Provinzen, durch die das französische Heer zog, waren anmutige Gegenden, ganz anders als die anatolische Steppe, in der Kaiser Konrad gescheitert war. Die trockene Hitze wurde hier durch Gras und Wälder gemildert, und zumindest gab es keine Probleme, Lebensmittel zu erhalten.
Dennoch konnten die Türken jederzeit zuschlagen, und die Armee durfte auf keinen Fall auseinandergezogen werden. Louis befahl, in möglichst dichtgeschlossenen Reihen zu marschieren, und schickte ständig Späher aus, die die Gegend erkunden sollten. Das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel erlebte der Kreuzzug, ständig auf einen Angriff gefaßt, zwischen Ephesus und Laodicea.
Auch auf Alienor hatte die allgemeine Ungeduld und Nervosität übergegriffen, doch sie war wohl als einzige noch in der Lage, das Land zu bewundern, durch das sie ritten. Sie dachte daran, daß hier einst die Griechen gegen die Trojaner gekämpft hatten, und sah die Ilias lebendig werden. Selbstverständlich hütete sie sich, dem ständig angespannten Louis etwas von diesen Phantasien zu sagen, doch in Ephesus erinnerte sie ihn daran, daß sie nun durch eine der legendären Stätten des frühen Christentums zogen. Hier hatte der Apostel Paulus gepredigt, hier hatte sich der Überlieferung nach der Apostel Johannes mit der Mutter Gottes zurückgezogen.
Es war kaum etwas von dem alten Ephesus mehr zu sehen, aber dennoch erfaßte Louis ein ehrfürchtiger Schauder. Wie hatte er das nur vergessen können! Ephesus zu durchqueren, wo die Bevölkerung die heilige Jungfrau verehrte, mußte ein gutes Omen sein. Hatten sie nicht ihre Tochter nach ihr benannt?
Doch von nun an wurde die Gegend immer felsiger. Sie kamen in die Schluchten von Pisidie, den gefährlichsten Abschnitt ihrer Reise, denn in diesem völlig unübersichtlichen Gelände war für jeden Feind die denkbar günstigste Gelegenheit, über das christliche Heer herzu-fallen. Daß es bis jetzt noch zu keinem Angriff gekommen war, bedeutete noch nichts. Als sie sich gegen Nachmittag dem Berg Cadmos näherten, gab Louis den Befehl, vor der Überquerung des Passes haltzumachen und nicht auf dem Berg selbst zu übernachten. Er, der die Nachhut anführte, wollte den Berg erst am nächsten Morgen passieren.
Alienor befand sich an diesem Tag beim Hauptheer, da Louis sie gebeten hatte, nicht mehr mit der Vor- oder Nachhut zu reiten, die am ehesten mit einer Attacke rechnen mußten. Dennoch weigerte sie sich, mit ihren Damen in einem der Wagen zu sitzen (kein Wunder, daß den törichten Gänsen bei den Gebirgspfaden des öfteren übel wurde, dachte sie), sondern ritt statt dessen neben dem Troß her.
»Euer Gnaden scheinen die Reise nichts auszumachen«, meinte die Gräfin von Flandern säuerlich. Ihrer Meinung nach hatte eine Frau kein Recht, bei all dieser Unbill so gesund und lebendig auszusehen. Die Königin hatte ihre edle Blässe verloren und war sonnen-gebräunt, doch das schien Alienor, die bei Hofe doch stets so vollkommen gewirkt hatte, nicht im geringsten zu stören. Die Gräfin beobachtete sie und mußte sich eingestehen, daß auch Alienors androgynes Äußeres, das durch die Bräune noch verstärkt wurde, nicht ohne Reiz war. Sie glich aber, fand die Gräfin mißbilligend, einem hübschen Knaben, wie sie nun lächelnd rief: »Niemand hindert Euch daran, die Wagen zu verlassen und mir ein Gleiches zu tun, Dame!«
Die Gräfin von Flandern verzichtete auf eine Antwort, und Alienor unterhielt sich mit Raoul de Vermandois, der den Haupttroß befehligte. »Was glaubt Ihr«, fragte sie ihren Schwager, »wie lange dauert es noch, bis wir den Hafen Adalia erreichen?«
Raoul überlegte. »Wenn wir Glück haben, nur noch zwei, drei Tage.« Er schüttelte den Kopf. »Es ist nicht zu fassen; wir sind nun schon bald ein ganzes Jahr aus Frankreich fort.«
Er dachte wehmütig daran, daß Petronille ihn noch vor Aufbruch des Kreuzzuges
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