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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Sehenswürdigkeiten von Konstantinopel und besuchte schließlich mit ihr das Hippodrom. Gelegentlich irritierte es ihn, daß sie trotz aller verbalen Zugänglichkeit nicht endlich in seine Arme sank. Schließlich mußte sie bei ihrem Gemahl und dem barbarischen Land, aus dem sie kam, nach einem Mann von Kultur buchstäblich ausgehungert sein. Dennoch hatte er, als er sie zum Wagenrennen geleitete, noch nicht einmal ihre Lippen berührt. Doch Alienors Verhalten ließ ihn hoffen.
    Das Hippodrom mit seinen Siegestrophäen, zu denen auch die berühmte bronzene Wölfin mit Romulus und Remus zählte, war in gewisser Weise das Herz von Byzanz. Hier wurden nicht nur Zirkus-spiele abgehalten, hier wurde Politik gemacht, und die Entscheidung, auf einen Wagenlenker der ›Grünen‹ oder der ›Blauen‹ zu setzen, war gleichzeitig eine Parteinahme.
    »Ich liebe die Rennen, doch ich wage nicht zu oft, hierherzukom-men«, erklärte Manuel Alienor, »es heißt, es bringt Unglück, denn in diesem Stadion wurde schon so mancher Kaiser gestürzt.« Sie befanden sich in der Loge, die der kaiserlichen Familie zur Verfügung stand, und der Kaiser machte Alienor auf den ägyptischen Obelisken in der Mitte des Stadions aufmerksam.

    Sie war fasziniert. In Konstantinopel schien einem überall die Vergangenheit zu begegnen. Wo sonst auf der Welt konnte sie ein Wagenrennen wie zu den Zeiten Neros beobachten? Laut gab sie ihrer Begeisterung Ausdruck, aber Manuel versetzte mit griechischer Bescheidenheit: »Wir sind das Letzte und Beste, was vom Römischen Imperium übriggeblieben ist.«
    »Allerherrlichster, das war nicht sehr klug«, gab sie sarkastisch zurück, »was würde Seine Heiligkeit der Papst oder Euer eigener Schwager, Konrad von Hohenstaufen, als Kaiser über das Heilige Römische Reich dazu sagen?«
    »Wären sie hier in Byzanz«, entgegnete Manuel ungerührt, »dann könnten sie nicht anders als mir beistimmen.«
    Das Rennen begann, wobei sich Alienor aus Höflichkeit dem Kaiser angeschlossen und auf die Blauen gesetzt hatte. Er wies sie auf die Bronzefische hin, die bei jeder neuen Umrundung heruntergeklappt wurden. Bald ließ sie sich von der Erregung der Menge mit-reißen. Die Menschen feuerten ihre Lieblinge an, und der sonst so beherrschte Manuel stimmte aus voller Kehle in ihr Geschrei ein.
    Alienor war sich seiner körperlichen Gegenwart sehr bewußt. Manuel führte sie stärker in Versuchung als je ein anderer Mann, und es war nicht die Treue zu Louis, die sie zurückhielt, sondern die Tatsache, daß die Eitelkeit des byzantinischen Kaisers sie abstieß. Sie wäre in der Lage, nahm sie an, mit einem Mann das Bett zu teilen, dem sie mißtraute, aber nicht mit einem, den sie verachtete. Manuel empfand offensichtlich sich selbst als Gottesgeschenk für jede Frau. Eine solche Affäre hätte ihr Stolz nicht zugelassen.
    Aus dem Staub, der sich über den dahinfliegenden Menschen- und Pferdeleibern gebildet hatte, schälten sich bald zwei Wagen der entgegengesetzten Parteien heraus und übernahmen die Führung des Rennens. Alienor beugte sich über die Brüstung und sah atemlos zu, wie sich Blau und Grün ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten, bis der blaue Lenker um eine knappe Länge als Sieger ins Ziel ging. Jubel und Pfiffe brachen auf den Zuschauerbänken aus, und beinahe wäre sie Manuel um den Hals gefallen.

    Statt dessen stand sie auf und rief mit leuchtenden Augen: »Oh, es war wunderbar!«
    »Wenn es Euch nur Freude bereitet hat, dann bin ich belohnt. Ich werde Apollodoros ein Zeichen meiner besonderen Gunst schicken.«
    Er musterte sie sehr deutlich. »Wie wäre es mit einem Zeichen…
    Eurer Gunst?«
    »Verfaßt ein Lied über mich«, antwortete sie lachend. »In meiner Heimat gilt es als sehr große Gunst, wenn eine Dame das ihrem Troubadour gestattet.«

    Für Louis wurde Konstantinopel von Minute zu Minute qualvoller. Er beschleunigte die Vorbereitungen zur Weiterreise, so gut er konnte, und erlebte immer neue Ärgernisse. Die Preise, die die Byzantiner Händler für Lebensmittel, Zaumzeug und sonstige Ausrüstungen forderten, übertrafen alles, was ihm bisher begegnet war, und er hatte in den von den Deutschen passierten mittel- und osteuropäischen Ländern einiges mitgemacht.
    Wollte er nicht noch vor der Ankunft im Heiligen Land ohne jede Mittel dastehen, mußte er Boten nach Frankreich schicken, mit der Bitte um eine Geldsendung. Und als ob dies, verbunden mit der Qual, den Kaiser mit Alienor tändeln zu

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