Die Löwin von Aquitanien
lebst!«
»Ja, Lieber«, sagte sie sanft. »Wir haben gewonnen.«
Am nächsten Tag traf endlich die Vorhut unter Geoffrey de Rancon und dem Grafen de Maurienne ein, die erst auf dem Berg bemerkt hatten, daß sie sich mit ihrer eigenwilligen Expedition völlig von ihrer Armee abgeschnitten hatten. Ihnen begegnete ein ominöses Schweigen der Männer, die ihre Toten begruben, und Rancon mußte bald hören, wie die Hauptleute seinen sofortigen Tod wegen Befehlsmißachtung forderten. »Jeder hier würde gerne den Henker spielen«, sagte der Graf von Flandern grimmig.
Alienor war auf ihren Vasallen genauso zornig wie jeder andere, doch sie wußte, daß ein Teil der Schuld auch bei Maurienne lag.
Niemand sprach jedoch davon, den Onkel des Königs hinzurichten, und so mit zweierlei Maß zu messen, erschien ihr grenzenlos ungerecht. Außerdem bemerkte sie, daß man nur allzu schnell bereit war, das Desaster auf ›die verdammten Aquitanier‹ zu schieben, und das brachte sie genauso auf wie Rancons Eigenmächtigkeit.
»Entweder müssen sie beide hingerichtet werden oder keiner«, sagte sie scharf zu Louis. Louis mit seinem Sinn für die göttliche und menschliche Gerechtigkeit konnte nicht anders, als ihr zuzustimmen.
Außerdem war er erschöpft, und um die Zukunft des Kreuzzuges war es schlechter bestellt denn je.
Als sie endlich die Hafenstadt Adalia erreichten, begriff er, daß er mit diesem Heer nicht weiter den Landweg verfolgen konnte - die Gebirgskette, die vor ihnen lag, hätte sie aufgerieben. Sie mußten den Seeweg nach Antiochien nehmen, wo ihnen zumindest gastliche Aufnahme und etwas Erholung sicher war. Doch es fehlte ihnen an Schiffen, um Antiochia, die Hauptstadt des kleinen Fürstentums, zu erreichen.
»Schreib an den byzantinischen Kaiser und bitte ihn um Schiffe«, riet Alienor. Ebensogut hätte sie einen Pakt mit dem Teufel vorschlagen können. Sie lächelte zynisch.
»Manuel wird sie dir geben, verlaß dich darauf. Uns hinterrücks von den Türken umbringen zu lassen, ist eine Sache, uns offen Hilfe zu verweigern, wo er sich doch als christlicher Kaiser gibt, eine andere. Er würde sonst beispielsweise sein Bündnis mit dem König von Jerusalem und Raymond verletzen, und darauf legt er Wert. Und«, sie verzog das Gesicht, »es bereitet ihm bestimmt Vergnügen, dich als Bittsteller und sich als gnädigen Gläubiger zu sehen.«
Sie brauchte Tage, um Louis zu überreden, und wies ihn immer wieder darauf hin, daß sie sich Stolz nicht mehr leisten konnten. Also schrieb er an seinen lieben Freund, den Kaiser von Byzanz. Als Antwort kam eine so kleine Anzahl an Schiffen, daß Louis sich fragte, woher Manuel die Stirn nahm, diese Wracks als Flotte zu bezeichnen und das Versprechen auf weitere Boote. Mehr, schrieb der Kaiser, seien im Augenblick leider nicht entbehrlich.
Louis hätte es nicht mehr ertragen, noch länger auf Manuels Hilfeleistungen zu warten, und entschloß sich kurzerhand, das Heer, so gut es ging, auf diesen lächerlich kleinen Schiffen unterzubringen.
Mitte März verließen sie Adalia und segelten nach Syrien.
Antiochia lag nicht nur am Meer, sondern erstreckte sich auch ins bergige Landesinnere. Die weißen, kuppelförmigen Häuser der Stadt glänzten in der Sonne, terrassenförmige Gärten zogen sich an den Hängen herab. In der Ferne konnte man den Djebel Akkra erkennen, und den leidgeprüften Kreuzfahrern erschien dieses Bollwerk des Christentums wie eine Oase, als sie, das königliche Paar an der Spitze, in dem Hafen Saint-Simeon an Land gingen.
Sie wurden - als heiliges Pilgerheer von dem Patriarchen persönlich empfangen, ein Aquitanier namens Aimery de Limoges, der dem knienden König und der Königin seinen Segen erteilte. Doch plötzlich ging ein Raunen durch die Menge, als die Königin von Frankreich die Feierlichkeit des Empfangs höchst unpassend unterbrach, rasch aufstand und sich einem blonden, schlanken Mann unter den Rittern in die Arme warf.
Alienor lachte und schluchzte und rief immer wieder: »O Raymond, Raymond, endlich!«
Der Herr Antiochiens hob sie auf, wirbelte sie herum und lachte ebenfalls aus vollem Herzen. Er hielt sie so eng an sich gedrückt, daß Louis, der noch vor dem Patriarchen kniete, einen Moment die Augen schloß.
Er wußte nicht, weswegen, aber weder die lange, mühsame Reise noch Manuels Verrat, noch der Überfall der Türken und die demütigende Erkenntnis, daß er seit seinem Aufbruch nur Niederlagen erlitten hatte, hatten ihn so
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