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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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daß ihr, du und der arme Mann dort, euch nur gegenseitig unglücklich macht.«
    »Erstens geht Euch das nichts an, Henry Plantagenet, zweitens halte ich Euch kaum für den geeigneten Beurteiler von Ehefragen, und drittens - meint Ihr wirklich, Ihr seid der einzige Mann auf der Welt?«
    »Ich bin der einzige für dich, glaub mir.«
    Die Musik endete; während Henry Alienor zu ihrem Platz geleitete, flüsterte er ihr zu: »Wenn du wirklich so sicher bist, daß du mich verabscheust, so vollkommen sicher, dann hast du auch keine Angst, morgen wieder zu dem Wäldchen zu kommen.«
    Sie antwortete nicht; sie waren in Hörweite der Tischrunde angekommen, und Alienor ließ sich langsam neben ihrem Gemahl nieder.
    Ihre Schwester Petronille, die schon wieder ein Kind erwartete, plauderte gerade mit Geoffrey Plantagenet. Sie wandte sich freundlich an Henry: »Euer Vater berichtet mir gerade, daß er selbst England nicht sehr gut kennt, Ihr jedoch seit Eurem neunten Lebensjahr dort aufgewachsen seid. Erzählt uns doch ein wenig von dem Land; ich habe nicht die geringste Ahnung, wie es dort aussieht. Hier hören wir immer nur, daß auf der Insel Krieg geführt wird.«

    »Oh, es ist ein schönes Land«, erwiderte Henry höflich, »sehr grün, und fast überall schmeckt man ein wenig Meer in der Luft. Aber wie Ihr richtig bemerkt, hat der Krieg schwere Verwüstungen angerichtet.«
    »Ja, Frieden ist eine gute Sache«, ergriff Louis jetzt das Wort,
    »sogar die heidnischen Römer, die doch die ganze Welt eroberten, wußten das.«
    »Vielleicht gerade, weil sie ständig Kriege führten, so wie wir«, versetzte der Graf von Anjou, und alle lachten. Er fuhr fort: »Hat nicht Vergil eine Ode geschrieben, in der er die Römer zu Frieden mahnt?«
    »Es war Horaz«, sagte Alienor überraschend, »und sie paßt in der Tat ganz ausgezeichnet zu diesen Tagen. Ich würde sie gerne deklamieren, aber ich weiß nicht, ob ich sie noch ganz in Erinnerung habe.
    Vielleicht, wenn der Herzog mir helfen würde?«
    Henry setzte den Becher ab, den er gerade in der Hand hielt, und sah sie an. Jedes Wort auskostend, antwortete er: »Mit dem größten Vergnügen, meine Königin.«
    Sie begann mit einer Stimme, in der ein wenig Ironie, etwas Ernst und etwas Herausforderung lag: »Wohin, wohin ihr Rasenden? Warum liegt die Faust/ Schon wieder euch am Heft des Schwerts?«
    »Sind Land und Meer denn immer noch zur Genüge nicht/ Gesättigt mit Latinerblut/ Nicht zu verbrennen gilt es jetzt…« setzte Henry ein, und Alienor, seinen Rhythmus aufnehmend, fügte mit einem bezeichnenden Blick hinzu:
    »… noch wilde Briten kettenschwer aufs Kapital/ Dahinzuführen im Triumph.«
    Ihre Zuhörer lachten und klatschten Beifall. Nur Henrys Vater hatte mehr gehört, als ausgesprochen wurde, und runzelte ein wenig die Stirn.
    Louis sagte huldvoll: »Nun, das kommt sehr unerwartet, Herzog, wie ich zugeben muß, und widerlegt eindrucksvoll unser Vorurteil gegen die Normannen. Nie wieder will ich von jemandem hören, sie hätten keine Kultur!«

    »O ja«, sagte Alienor ruhig, »unser Freund hier hat gewiß eine ausgezeichnete Erziehung erfahren.«

    Der Sommer hatte sich endlich durchgesetzt. Es war warm, und der Regen hatte die Luft so klar werden lassen, daß der Geruch des Getreides und das Grün der Bäume in der Sonne überall angenehm zu spüren waren. Das Moos an den Stämmen war jedoch noch feucht, und auch der aufgewühlte Boden zeigte noch die Spuren der Regentage.
    »Wie Ihr seht«, sagte Alienor, »fühle ich mich nicht im geringsten durch Euch gefährdet.« Sie war abgestiegen und band, ohne sich umzudrehen, ihr Pferd an einem herabhängenden Zweig fest.
    Henry schwang sich aus dem Sattel. »Dann nenne mich bei meinem Namen und geh ein Stückchen feldeinwärts mit mir.«
    Sie schlenderten durch das halbhohe Getreide. Henry bückte sich und nahm eine Ähre auf. Er kitzelte Alienor damit unter dem Kinn.
    »Ganz sicher, wie?«
    »Völlig sicher.«
    Die Ähre beschrieb einen Kreis um ihren Hals, tanzte über ihre Brüste und senkte sich bis zu ihrer Taille. Alienor stand still. Henry trat an sie heran, teilte ihr üppiges Haar und berührte mit seinen Lippen ihren Nacken. Langsam und liebkosend glitten seine Hände über ihre Schultern, öffneten die Verschnürungen ihres Mieders.
    Sie war nicht länger ruhig. Er konnte spüren, wie sie am ganzen Leib bebte. Dann neigte sie den Kopf nach hinten. Er küßte ihre Augenlider, ihre Wangen, schließlich ihren Mund,

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