Die Löwin von Aquitanien
mit ihrem Gemahl über die Annullierung ihrer Ehe sprach. Louis hatte gerade Stunden anstrengender Bußübungen hinter sich, war erschöpft und vollkommen überrumpelt. Auf seinen Zügen zeichnete sich maßlose Verblüffung ab.
»Aber Alienor, der Papst hat uns versichert, daß unsere Ehe gültig ist!«
»Ja«, erwiderte seine Königin mit niedergeschlagenen Augen und leichter Trauer in der Stimme, »doch woher weißt du, daß er damit auch recht hatte? Du brauchst einen Sohn für dein Königreich, Louis.
Ich habe lange darüber nachgedacht. Könnte es nicht sein, daß unsere Ehe in den Augen des Herrn Sünde ist und er dir deshalb keinen Thronfolger schenkt? Du bist der frömmste Mann, den ich kenne, Louis, an dir kann es nicht liegen. Es muß meine Schuld sein.«
Louis starrte sie an. »Aber ich liebe dich, Alienor, ich will mich nicht von dir scheiden lassen!«
Sie begann in ihrem Schlafgemach auf und ab zu gehen. »Das weiß ich, Louis, aber du bist nun einmal kein gewöhnlicher Bürger, sondern der König von Frankreich, und in unserem Stand zählt es nicht, ob man sich liebt oder nicht. Die Ergebnisse zählen, und das Ergebnis unserer Ehe ist, daß wir keine Söhne bekommen können und daß ich dich ständig unglücklich mache.«
»Das ist nicht wahr, Alienor, und…«
»Um Himmels willen, sag nicht, daß der Kronrat dich nicht schon oft davon überzeugen wollte - ich brauche doch nur Thierry Galerans Gesicht anzusehen, wenn er mit dir gesprochen hat!« Louis fühlte sich in die Enge getrieben. Natürlich bedrängte man ihn immer öfter, er solle sich von der Königin trennen und eine neue Frau nehmen.
»Das stimmt, aber ich würde dich nie aufgrund ihrer Ratschläge verlassen, Alienor!«
Seine Gemahlin schaute ihn prüfend an und seufzte. »Nein, das würdest du wohl nicht. Aber warum willst du noch länger eine Ehe führen, die Gott und den Menschen verhaßt ist? Du brauchst eine neue Gemahlin, ein junges Mädchen, das dir Söhne schenken und dich glücklich machen wird… und dann werde vielleicht auch ich glücklich werden.«
Louis betrachtete sie der Verzweiflung nahe. »Bist du denn so unglücklich, Liebste?«
Sie führte den spinnwebenzarten, durchsichtigen Schleier, der aus dem Orient stammte, an die Augen, und er war wirklich erschüttert.
Bisher hatte er Alienor nur einmal weinen sehen, bei ihrem Zusammenbruch nach Raymonds Tod. Tapfer die Tränen zurückhaltend, erklärte sie: »Jeden Tag muß ich erleben, wie die Leute mich anstarren und sich fragen, wieviel Zeit ich noch habe, ein Kind zu empfangen, und ich kann es nicht länger ertragen! Ich kann dieses Gefühl nicht mehr aushalten, Louis, und jeden Tag verstärkt es sich.«
Louis stand auf, nahm sie vorsichtig in die Arme und versuchte unbeholfen, sie zu trösten. Dies war eine ungewohnte, verwirrende Lage für ihn; er war es nicht gewohnt, Alienor schwach und hilfsbedürftig zu sehen. »Aber«, begann er in einem letzten Versuch, »hast du auch an Marie und Alix gedacht? Wenn unsere Ehe annulliert würde, wären unsere Kinder unehelich!«
Gegen seine Schulter gedrückt schluchzte sie: »Ach, das können deine Bischöfe schon in Ordnung bringen, das haben sie schließlich schon öfter getan! Man erklärt sie einfach im nachhinein für ehelich!« Sie schien sich mühsam zusammenzunehmen. Louis wußte nicht, was er sagen, tun sollte. Ungewollt kamen ihm die vielen Situationen in Erinnerung, in denen seine Ratgeber ihn bestürmt hatten, seine Ehe noch einmal zu überdenken. Konnte es wirklich sein, daß sie, dem Dispens des Heiligen Vaters zum Trotz, in Sünde lebten?
Es war der siebente September, und in Château-du-Loir in Anjou lag Geoffrey Plantagenet im Sterben. Die bedrückende, klebrige Hitze nach einem langen Marschtag hatte Geoffrey dazu verleitet, im Fluß zu baden, und noch am selben Abend hatte ihn ein Fieber überfallen, von dem er sich nicht mehr erholen konnte.
Sein Kaplan betete für ihn; zumindest war er von der Kirche wieder in Gnade aufgenommen worden. Er erkannte im Delirium noch seine beiden Söhne und dachte, wie lächerlich es wäre, jahrzehntelangen Krieg und einen Kreuzzug überstanden zu haben, um jetzt an einem französischen Fluß zu sterben. Unter Qualen versuchte er zu sprechen.
»Du… du hast nicht auf mich gehört, Henry, nicht wahr? « Sein ältester Sohn schüttelte langsam den Kopf, Geoffrey stöhnte. »Aber das hast du ja nie… getan? Wann wirst du je auf jemanden hören, Henry? Wann?« Sein
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