Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
und sie erwiderte seinen Kuß mit einer Heftigkeit, wie er sie noch nie erlebt hatte. Alienor wandte sich um, und ihre Hände bewegten sich mit spieleri-schem Zögern über seinen Oberkörper hinweg. Er fühlte ihre Zunge an seiner Halsgrube, spürte Alienor in seinen Armen. Diese Frau raubte ihm den Verstand. Wer wen entkleidete, wer wen verführte und zu einer einzigartigen Hingabe verleitete, wußten sie später nicht mehr; nur, daß ihre Körper ineinander aufgingen, als seien sie das einzige Paar der Welt.

    Alienor blickte auf ihre schlafende älteste Tochter. Marie war nun sechs Jahre alt, ein aufgewecktes, lebhaftes Mädchen, das Louis’
    Gesichtszüge geerbt hatte, aber bereits die Liebe ihrer Mutter zur Musik und eine erstaunliche Sprachbeherrschung zeigte. Ich habe noch nie ein Kind gekannt, das sich in ihrem Alter so gut ausdrücken konnte, dachte Alienor und empfand wieder tiefe Dankbarkeit dafür, daß Marie sie nach ihrer Rückkehr aus dem Orient so schnell wieder liebgewonnen hatte.
    Ihre zweite Tochter, Alix, war noch zu klein, um nicht ständig von einer Amme umgeben sein zu müssen, die für sie sorgte, und Alienor entschloß sich, darauf zu verzichten, heute abend auch nach Alix zu sehen. Sie würde das Kind nur aufwecken und der Amme das Leben schwermachen. Sie verließ Maries Kammer. Ihre Schritte hallten in dem nächtlich stillen Gang wider; kaum ein Geräusch aus dem so emsigen Palast oder aus der Stadt drang in diesen Teil des Gebäudes.
    Ohne einen besonderen Grund zu haben, blieb sie stehen und lehnte sich an die rauhe, ungeglättete Mauer, die von einer einzelnen Fackel nur schwach erleuchtet wurde. Plötzlich schlug sie mit ihrer Hand auf den Stein.
    Wie hatte sie nur so töricht sein können?
    Sie hatte Raymond geliebt, doch immer gewußt, daß es für sie beide keine Zukunft geben könnte. Und als ihr, als die Trauer um Raymonds Tod ein wenig verebbt war, klar wurde, daß er Bedürfnisse in ihr geweckt hatte, die sich nicht mehr verleugnen ließen, hatte sie Louis mehrmals betrogen, aber wohlweislich mit Männern, die sie zwar anziehend fand, jedoch nicht liebte. Einen Mann zu lieben wie Raymond, brachte nur Schmerz mit sich, Schmerz, den sie nicht noch einmal spüren wollte. Sie glaubte nicht länger, daß Gott über sie alle wachte - falls sie es je geglaubt hatte -, hätte er ihr sonst Raymond genommen? Sie wäre nach Frankreich zurückgekehrt, aber sie hätte immer gewußt, daß Raymond an sie dachte, daß auch er sie liebte. Raymond war tot. Und sie, Närrin, die sie war, hatte denselben Fehler noch einmal begangen und sich wieder verliebt. Es war nicht wie bei den anderen Männern, die sie benutzt hatte, wie Männer, so sagte sie sich zu ihrer Rechtfertigung, Frauen seit Anbeginn 139
    der Menschheit benutzten. Sie hatte die unverzeihliche Torheit begangen und sich in Henry Plantagenet verliebt.
    Sie liebte ihn. Liebte nicht nur seinen Körper, sondern die Art, wie er sie ansah, wie sie mit ihm sprechen, streiten, lachen konnte.
    Mit Henry zusammen zu sein, war eine ständige Herausforderung, war Liebe und Haß, der Wunsch zu verletzen und der Wunsch, alles für ihn zu tun, in einem Atemzug. Es war, gestand sie sich widerwillig ein, sogar anders als ihre Liebe zu Raymond, die aus der Anbetung eines Kindes für seinen älteren Spielgefährten erwachsen und von Anfang an von ihrem drohenden Ende geprägt gewesen war.
    Doch diesmal war sie nicht bereit, ein baldiges Ende hinzunehmen.
    Ihre Liebe zu Henry bestand auch aus dem Bedürfnis, ihn nicht zu verlieren, mit ihm zu leben.
    »Alienor«, sagte sie halblaut zu sich selbst, »du versinkst schon wieder in Selbstmitleid. Aber gib es zu, du hast ein Talent, solche Situationen heraufzubeschwören.« Sie zog eine Grimasse. »Auf die Zukunft!«

    »Wie bitte? « fragte Alienor ungläubig.
    Henry entgegnete achselzuckend: »Gut, wir können es auch ganz sittlich und nach altem Brauch hinter uns bringen.« Mit übertrieben dramatischer Gebärde kniete Henry nieder und deklamierte: »O Dame, deren Schönheit die Sterne überstrahlt, Herrin, deren Tugend so berühmt wie unübertrefflich ist - nenn ich’s, darf ich’s wagen? Ist es Liebe, die mir das Herz bewegt, so gewährt mir die Gunst, um Eure Hand zu bitten und…«
    Alienor versetzte ihm einen Stoß, daß er umfiel. Er riß sie mit sich, und eine Weile rollten sie, miteinander ringend, auf dem Boden.
    Endlich keuchte Alienor: »Du bist schrecklich, weißt du das?«
    »Nicht halb so

Weitere Kostenlose Bücher