Die Löwin von Aquitanien
frei.
»Ich muß mit Euch sprechen.«
»Aber ich nicht mit Euch.«
»Oh, es ist aus rein sachlichen Gründen«, meinte Henry mit gutgelaunter Trägheit in der Stimme, »es sieht nämlich so aus, als wären wir, Ihr und ich, die einzigen Menschen hier, die genügend Vernunft haben, um diesen lächerlichen Streit beizulegen. Oder habt Ihr etwa gehofft, ich hätte etwas anderes im Sinn?«
Alienor starrte ihn an. Sie hätte ihn am liebsten geohrfeigt, doch sie wollte ihm nicht die Genugtuung bereiten, sie die Beherrschung verlieren zu sehen. »Schön«, erwiderte sie kühl, »sprechen wir. Aber nicht hier. Wenn Ihr Euch länger hier aufhaltet, kann es geschehen, daß mein Gemahl Euch als Geisel festhalten läßt.«
Henry lehnte sich an eine der Säulen des Kreuzgangs. »Würdet Ihr das bedauern… oder glücklich darüber sein, daß ich in Eurer Nähe bliebe? Doch ich denke nicht, daß Euer Gemahl so etwas tun würde.
Wo also sollen wir uns treffen?«
»Bei Hof und in der Stadt ist es unmöglich, also werde ich heute abend wieder ausreiten. Und wenn Ihr bis dahin nicht gelernt habt, wie man mit der Königin spricht, könnt Ihr Euch die nächsten Monate damit beschäftigen, Euren närrischen Krieg um eines Gefangenen willen zu führen!«
»Aber, aber«, sagte Henry tadelnd. »Ihr solltet nicht so leicht aus der Fassung geraten, Euer Gnaden.« Und mit einem Blick auf ihre Brust fügte er hinzu: »Es entblößt zuviel.« Dann grinste er, verbeugte sich und verschwand eilig.
Alienor ergriff einen der kleinen Wasserbehälter, die hier überall bereitstanden, um das Wasser aus undichten Ritzen aufzufangen, und schleuderte ihn an die Wand.
Sie zitterte immer noch vor Wut, als sie Louis in der Kapelle fand.
Er kniete vor dem dortigen Seitenaltar. Die ganze Kirche und die unvollendeten Neubauten, die Suger begonnen hatte, waren von den Kerzen hell erleuchtet, die für den berühmtesten Abt des Klosters brannten. Die Luft war stickig von dem verbrannten Fett und ständigen Weihrauch, Wachs klebte überall, und Louis war in seiner braunen Tonika kaum von einem der Klosterinsassen zu unterscheiden.
Leise murmelte er ein Gebet.
»Louis«, sagte sie sacht.
Er schaute auf. »O Alienor… Alienor, warum muß er jetzt sterben? Als unsere Alix geboren wurde, war ich so sicher, daß Gott mir auch den mißglückten Kreuzzug verziehen hat.
Ein zweites Kind… aber nun nimmt er mir Suger… Alienor, warum? «
Alienor kniete sich neben ihn. »Er ist ein alter Mann«, antwortete sie ein wenig müde, »und es ist Gottes Wille, daß die Menschen im Alter sterben müssen, Louis.« Wann hatte sie zu Louis das letzte Mal gesagt, was sie meinte? Es war gewiß Monate her. Und jetzt war nicht der Zeitpunkt, damit anzufangen. Sie müßte ihn trösten wie ihre kleinen Mädchen, wenn ihnen etwas fehlte. Louis, das ewige Kind.
»Ich weiß«, sagte Louis, und nun weinte er offen. »Aber ich habe ihn so sehr geliebt. Er war wie ein Vater für mich, immer.« Alienor umarmte ihn, bettete seinen Kopf an ihre Schulter und wisperte ihm die alten Zauberworte zu, die auch Marie und die kleine, einjährige Alix zur Ruhe brachten. »Alles wird wieder gut, alles kommt in Ordnung, alles wird wieder gut.«
Henry wartete auf sie am Rande des Wäldchens, wo er sie mit seinem Vater zusammen zum ersten Mal erblickt hatte. Er trug keine Rüstung, nur ein Schwert im Halfter seines Sattels, und sein schwarzes Haar war vom Regen naß und zerzaust. »Ich wußte, daß Ihr kommen würdet.«
»Nun«, fragte Alienor knapp, »was habt Ihr mir anzubieten?«
»Da Ihr mich so fragt…«
»Wenn Ihr Euch nicht auf Eure Angelegenheiten beschränkt, reite ich sofort zurück.«
Henry lachte. »Und wenn ich Euch nicht zurückreiten lasse? Auch Ihr würdet eine sehr wertvolle Geisel abgeben, meine Königin. Woher wollt Ihr wissen, daß ich nicht alles erfunden habe, um Euch gefangenzunehmen? Es war sehr leichtsinnig von Euch, allein hierher-zukommen.«
»Woher wollt Ihr wissen, daß ich allein bin?« entgegnete sie herausfordernd. »Vielleicht wartet hinter der Hügelkuppe dort drüben ein ganzer Troß Männer nur auf mein Zeichen, um einen sehr unklugen jungen Mann zu ergreifen?«
Henry drängte sein Pferd näher an das ihre heran. »Nein, da ist niemand«, sagte er gedehnt, »aber Ihr habt nicht die geringste Angst, nicht wahr? Vor überhaupt nichts.« Er ergriff sie plötzlich und zog sie so nahe an sich heran, bis ihre Gesichter sich fast berührten.»
Doch wir
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