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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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männliche Erbfolge war für immer dahin, und der Streit zwischen Maude und ihrem Vetter Stephen begann.
    Mathilda war nach Fontevrault zurückgekehrt und jetzt die Herrin über ein Kloster, das nicht nur zu den angesehensten Aquitaniens gehörte, sondern auch einen ganz einmaligen Status innehatte. Der Orden nahm nämlich Männer und Frauen auf, die jedoch nur in der Kirche zusammenkommen durften. Mathilda war Äbtissin über beide Teile des Klosters.
    Mathildas stilles Wesen bildete einen erholsamen Ausgleich zu Alienors Lebhaftigkeit, und die beiden Frauen verbrachten unzählige gemeinsame Stunden. Abgesehen von der kurzen Begegnung mit Heloise war Mathilda die erste Angehörige der Kirche, zu der Alienor sich hingezogen fühlte.
    »Ihr glaubt nicht«, fragte Alienor neugierig, »daß ich schon längst von Gott verdammt bin?«
    Mathildas Gesicht sah unter dem strengen Habit erheitert aus. »Aber nein. Christus sagt uns, daß Gott die Liebe ist, und welche Fehler du auch begangen haben magst, mein Kind, die Liebe kann alles verzeihen.«
    Alienor stützte sich mit den Händen auf der Brüstung der Klostermauer ab. »Doch ich begehe diese Fehler weiterhin«, erwiderte sie ein wenig kämpferisch. »Und mehr noch, ich begehe sie gerne.«
    Mathildas schwarzes Gewand raschelte auf dem Boden, als sie auf Alienor zutrat und sie umarmte. »Ich kann nicht glauben, daß Gott ein Wesen verdammen würde, das in der Lage ist, sich so über seine Schöpfung zu freuen wie du.«
    Alienor blickte über das riesige Gästehaus des Klosters, in dem an die fünfhundert Personen untergebracht werden konnten. »Mag sein«, sagte sie, halb scherzend, halb ernsthaft, »daß es mir bestimmt ist, durch Eure Gebete gerettet zu werden, meine Tante. Im Moment allerdings ist es wohl Henry, der der Gebete bedarf. Ich hoffe nur, er steht sich mit dem Allmächtigen etwas besser.«

    Henry überwachte die Verproviantierung der Schiffe. Es waren kräftige Segler, die auch den Kanalstürmen trotzen würden, und er schaute stolz auf die Verladung der Geldtruhen und Waffen. Diesmal würde es Stephen nicht mit einem ewig zerstrittenen Paar zu tun haben, das über wenig nennenswerte Mittel und Verbündete verfügte.
    In der Tat war der sichere Zugriff auf den königlichen Staatsschatz Stephens großer Vorteil, den er in den letzten Jahren auch ausgenutzt hatte, um flämische Söldner gegen Maude und Geoffrey Plantagenet anzuheuern.
    Henry lächelte. Die Söldner aus Flandern mochten sich als Stephens größter Fehler erweisen, denn wenn sie nicht gerade gegen die Kaiserin Maude kämpften, plünderten sie die Bauern aus, brandschatzten die Dörfer und hatten den ursprünglich nicht unbeliebten König bei weiten Teilen der Bevölkerung gründlich verhaßt gemacht, ohne daß seine Cousine Maude sich viel größerer Beliebtheit erfreute.
    Wenn Henry nur die richtigen Züge bei diesem Spiel um die Macht unternahm, würde er den jahrzehntelangen Bürgerkrieg beenden und von dem Volk wie ein Retter empfangen werden, und der Adel würde wissen, wo sein Vorteil lag - bei dem Mann mit den meisten Soldaten und den schwersten Geldtruhen.
    Er summte gerade eine Melodie vor sich hin, als ihn ein Rufen unter seinen Männern aus seinen Tagträumen wieder auf den Boden der Tatsachen holte. »Der Herzog! Wo finde ich den Herzog?«
    »Ich bin hier«, schrie Henry und winkte dem Mann, der das Wappen eines seiner Versallen trug, zu ihm zu kommen.
    Der Bote, offensichtlich ein Soldat, war anscheinend einen weiten Weg in sehr hoher Geschwindigkeit gekommen; er sah völlig verdreckt, abgerissen und erschöpft aus, seine Augen waren rot und entzündet, doch seine hastigen Bewegungen verrieten die Dringlichkeit einer Botschaft, die keinen Aufschub duldete.
    »Euer Gnaden«, sagte der Mann mit heiserer Stimme, »mein Herr schickt mich, um Euch zu sagen, daß der König von Frankreich in die Normandie eingefallen ist.« Henry stand bewegungslos. Dann zuckte er die Schultern. »Er hat sich einen verdammt ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht, aber etwas dieser Art war zu erwarten gewesen«, sagte er resigniert. »Ich werde die Vorbereitungen abbrechen und erst in die Normandie zurückkehren müssen. Ich hoffe nur, es dauert nicht allzu lange - aber wie mein Vater zu sagen pflegte, war der gute Louis noch nie ein begnadeter Soldat.«
    Der Bote zögerte. »Euer Gnaden«, begann er und räusperte sich,
    »Euer Gnaden, da ist noch etwas.«
    Henry, der schon dabeigewesen war, sich zu

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