Die Löwin von Aquitanien
möglich, würde sie auf seine Gastfreundschaft verzichten, doch sie gab Anweisung, ihn um Obdach zu bitten, falls in den Klöstern der Stadt kein Platz mehr war.
Einige Stunden später kamen ihre Bediensteten äußerst beunruhigt zurück und berichteten, nicht nur sei das Schloß außergewöhnlich stark bewaffnet, sondern durch einen Schwatz mit den Knappen des Grafensohnes hätten sie auch erfahren, er beabsichtige, Alienor mit Gewalt festzuhalten und zu seiner Gemahlin zu machen.
Alienor verzog das Gesicht und lachte. »Geht das jetzt schon los«, murmelte sie. Nun, es war zu erwarten gewesen. Wer sie heiraten würde, hatte Aquitanien in der Hand, und dafür ließen die edlen Herren gern alle Ritterlichkeit fahren und verlegten sich auf andere Methoden. »Nun«, sagte sie bester Laune, »dann bleibt mir nichts anderes übrig, als ihm eine Enttäuschung zu bereiten. Sire de Rancon, gebt die Anweisung, daß wir Blois umgehen und die Nacht durch-marschieren werden.«
Wenn Thibaud de Blois sich einbildete, sie sei so verzärtelt, daß sie aus schierer Bequemlichkeit Rast machen mußte, dann hatte er sich sehr geirrt. Was war eine durchwachte Nacht, auch wenn man sie im Eilmarsch verbringen mußte, gegen die Strapazen eines Kreuzzugs? Als der Morgen graute, war sie bereits weit über Blois hinaus und fragte sich, was für ein Gesicht der jüngere Thibaud wohl machen würde, wenn er es erfuhr.
Indessen war sie noch längst nicht in den sicheren Grenzen ihres Herzogtums. Wenn sie den kürzesten Weg nahm, würde sie die Creuse in Port-de-Piles überschreiten. Doch das konnten sich auch noch weitere raffgierige Edle vom Schlag eines Thibaud de Blois denken. Und richtig, als sie noch einen Reisetag entfernt war, meldeten ihre Späher, daß auch in Port-de-Piles Bewaffnete auf sie warteten.
»Unter wessen Befehl?« fragte Alienor. Sie war auf einiges ge-faßt, aber die Antwort verblüffte sie dennoch. »Es handelt sich um den jüngeren Sohn des verstorbenen Grafen von Anjou, Euer Gnaden.«
Henrys Bruder Geoff also. Es wäre eine interessante Zusammenkunft, aber auch der unbekannte Geoff würde sich als betrogener Betrüger wiederfinden.
»Eines ist klar«, sagte sie nach einigem Überlegen, »wir können die Creuse nicht überqueren. Umgehen können wir sie auch nicht.
Was nun…« Sie wandte sich an den Mann, der ihr von der Falle berichtet hatte. »Ist die Vienne ebenfalls besetzt?«
»Nein, Euer Gnaden, aber…«
»Dann ändern wir unseren Weg und nehmen eine Furt der Vienne, bevor sie in die Creuse mündet.«
Diejenigen ihrer Versallen, die sie begleiteten, dachten bewundernd, daß sie das Zeug zu einem echten Befehlshaber hatte. »Jede andere Frau hätte Angstzustände bekommen und wäre eilends nach Beaugency zurückgekehrt, wenn sie sich nicht ohnehin schon hätte gefangennehmen lassen«, meinte der Graf de Rancon beifällig. »Aber hol’s der Teufel, sosehr ich sie als Herzogin verehre, als Gemahlin würde ich sie nicht haben wollen. Sie ist zu klug für eine Frau.«
Kurz vor Ostern kam sie schließlich erschöpft, aber triumphierend, in Poitiers an. Bei den Bürgern dort hatte sich inzwischen die Nachricht verbreitet, wie ihre Herzogin den beiden glücklosen Helden ein Schnippchen geschlagen hatte, und sie feierten ausgelassen ihre Rückkehr. Alienor begann sofort damit, die Verwaltung zu ordnen, die durch den Austausch von nordfranzösischen gegen aquitanische Beamte durcheinandergeraten war, schlichtete Streitigkeiten und empfing die vielen Gesandtschaften und Bittsteller ihrer Städte und Dörfer, die ihre Rückkehr unvermeidlich mit sich brachte.
Sie war wieder in ihrer Heimat, und ihrem kleinen Hofstaat kam es vor, als verjüngte sie sich mit jedem Tag. Dennoch schien sie auf etwas zu warten.
Henry kam, jedoch fast ohne Begleitung, denn sie waren sich beide im klaren darüber, daß das, was sie vorhatten, auf keinen Fall vorher bekannt werden durfte. Er trug, wie meistens, wenn es nicht irgendwelche zeremoniellen Anlässe gab, Jagdkleidung, die auf seiner schnellen Reise sehr gelitten hatte, und Alienor brach in Gelächter aus, als sie ihn sah. »Ich wußte doch, daß ihr Normannen den Raubritter nicht verstecken könnt!«
»Würdest du mich heiraten, wenn ich keiner wäre?«
»Wer sagt dir, daß ich dich überhaupt heirate?« Henry faßte sie um die Taille und hielt sie hoch. »Wenn du es nicht tust, werfe ich dich aus dem Fenster, gleich hier und jetzt, und deine Troubadoure haben Stoff, um
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