Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
Vom Netzwerk:
geschehen.“
     
    „Bitte, mein Gebieter, kosten Sie davon!“
Aynur kniete sich anmutig vor André auf den Boden und streckte ihm ein
silbernes Tablett entgegen.
    Er richtete sich in den Polstern auf und
musterte die appetitlich angerichteten Häppchen. „Hör auf, mich so zu nennen!
Ich bin weder dein Herr noch dein Gebieter. Was ist das?“
    Ein verlockender Duft stieg ihm in die Nase.
Er hatte Aynurs Einladung zum Abendessen aus schlechtem Gewissen angenommen.
Schließlich hatte er sie seit ihrer Ankunft auf Qasr el Bahia nicht besonders
zuvorkommend behandelt. Er hatte sie ignoriert und gemieden, und morgen würde
er sie wie ein falsch geliefertes Paket fortschicken. Aber wenn er ehrlich war,
war er auch neugierig, wer die verschleierte kleine Person mit den rätselhaften
dunklen Augen wirklich war.
    Ihre Dienerin – Tamra, wie er inzwischen
wusste – hatte ihn abgeholt, als die Sonne zwischen den Höhen des Atlas
versank. Seither lag er in einem kleinen Zimmer auf einem Berg von Kissen.
Aynur glitt wie ein Schatten durch den halbdunklen, von Öllämpchen beleuchteten
Raum und servierte ihm eine Verlockung nach der anderen. Ihre Arm- und
Fußreifen klingelten leise zu ihrer sanften, schmeichelnden Stimme, mit der sie
ihm die kleinen Häppchen anbot, von denen jedes eine neue Überraschung für
seinen Gaumen war. Längst hatte er vergessen, dass er nur kurz bleiben wollte.
Träge lag er auf den Polstern, und in seinem Kopf verschwammen alle Gedanken
wie nach einigen Gläsern schweren roten Weines. Einmal streifte ihn die
Überlegung, ob sie irgendeine Droge in sein Essen gemischt hatte. Aber
eigentlich war es ihm egal, denn nach jedem weiteren Bissen fühlte er sich
entspannter und zufriedener.
    Interessiert beobachtete er, wie Aynur das
Tablett auf ihren Knien balancierte. Ihre runden Brüste zeichneten sich unter
dem hauchzarten Schleiergewand ab. Täuschte er sich, oder hatte sie ihre
Brustwarzen dunkel eingefärbt?
    „Das sind gedünstete Quitten mit Couscous
gefüllt. Eigentlich gehört Lammfleisch hinein. Aber da Sie noch kein Vieh
besitzen ...“ Mit einem kleinen Lächeln nahm sie eine der runden gefüllten
Früchte und schob sie zwischen seine Lippen.
    „Mon dieu, ist das scharf!“
    Sie lächelte schelmisch. „Es enthält Chili.
Je schärfer er ist, desto glücklicher macht er. Aber warten Sie! Etwas süßer
Tee wird gegen die Schärfe helfen.“ Sie stellte das Tablett auf den Boden und
klatschte in die Hände. Tamra eilte herbei und reichte ihrer Herrin ein Glas
mit lauwarmem Tee. André beobachtete, wie die beiden Frauen einen raschen Blick
tauschten. Als Aynur ihm das Glas reichen wollte, schüttelte er abwehrend den
Kopf. „Raus mit der Sprache, was habt ihr beide ausgeheckt?“
    Sie riss die schwarz umrandeten Augen auf.
„Sind Sie nicht zufrieden, mein Gebieter? Schmeckt es Ihnen nicht? Trinken Sie
etwas Tee, er wird Ihnen guttun.“ Sie beugte sich vor, um ihm das Glas zu
reichen. Er roch ihren betörenden Duft nach Rosen, Vanille und Ambra und musste
sich zwingen, nicht auf ihre Brüste mit den großen dunklen Monden zu starren,
die jetzt ganz deutlich durch das dünne Seidengewand schienen. Hastig kippte er
den Tee herunter. Als Aynur eine Hand nach dem Glas ausstreckte, umfasste er
ihr schmales Handgelenk und drehte es um. „Was hast du da gemacht? Das sieht
hübsch aus.“
    Sie blickte auf die kunstvollen Ornamente, die
Tamra mit Hennapaste auf ihre Handflächen gemalt hatte, und flüsterte: „Es
heißt Mehndi. Damit schmückt sich eine Braut vor der Hochzeitsnacht.“ Die
verschlungenen Kreise und Spiralen wirbelten vor Andrés Augen. Er ließ ihre
Hand los und fiel schwer auf die Kissen zurück. „Wie alt bist du, Aynur?“
    „Siebzehn“, antwortete sie scheu. Siebzehn
und noch Jungfrau, eine Schande! Sie fürchtete, der Franzose würde sie
verschmähen, weil sie schon so alt war, aber zu ihrer Verwunderung murmelte
Rouston: „Du bist doch viel zu jung für mich, Aynur. Du könntest meine Tochter
sein…“
    Sie betrachtete die kantigen männlichen
Konturen seines Gesichtes, seine Haut, die im flackernden Licht der Öllampe
golden schimmerte, sein lockiges schwarzes Haar und seine Augen, deren Blick
unter der Wirkung des Opiums, das sie und Tamra unter sein Essen gemischt
hatten, schläfrig war. Sie merkte, dass ihre Gefühle für ihn ganz und gar nicht
der einer Tochter für ihren Vater entsprachen. Sie erhob sich geschmeidig.
„Wollen Sie, dass ich für Sie tanze,

Weitere Kostenlose Bücher