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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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eines Zeremonienmeisters aus. Er erklärte, dass Seine
Allerheiligste Majestät, Sultan Moulay Abd Er Rahman, dem Franzosen bei der
Instandsetzung zu helfen wünschte und ihm seine besten Mosaikleger, Schmiede
und Gärtner, Zimmerleute, Kalk- und Lehmputzer schickte. Rouston sollte nach
Belieben verfügen.
    „Außerdem überbringe ich Ihnen im Auftrag
Seiner Kaiserlichen Majestät ein weiteres Geschenk“, fuhr Feradge geheimnisvoll
fort. „Seine Kaiserliche Majestät dankt Ihnen damit, dass Sie sich für die
Interessen Marokkos eingesetzt haben, als Ihre Landsleute nach der
schmachvollen Bombardierung von Mogador und Tanger die Bedingungen diktiert
haben.“ Der Eunuch flüsterte einem schwarzen Jungen, der in seiner Nähe
gewartet hatte, einen Befehl zu. Er rannte los und kam kurz darauf mit einem
erwachsenen Sklaven zurück, der ein Reitkamel am Zügel führte. Es trug
silberbeschlagenes Zaumzeug, eine mit Troddeln und Fransen geschmückte Decke
und darauf eine Sänfte, deren Vorhänge zu allen Seiten geschlossen waren. Hinter
der Sänfte lief eine ältere Schwarze in gestreiftem Turban und bunt bedrucktem
Baumwollkleid.
    „Was in drei Teufels Namen…“, murmelte André,
aber als er Feradges irritierten Blick bemerkte, verfolgte er schweigend, wie
das Kamel sich langsam niederkniete. Feradge trat neben das Tier, öffnete die
Tür der Sänfte und erklärte feierlich: „Ihr Geschenk, Monsieur Rouston!“
    Eine Hand erschien, klein und schmal wie die
eines Kindes, aber diese Hand steckte in einem seidenen Handschuh und war mit
kostbaren Ringen geschmückt. Feradge umfasste sie behutsam, und eine verhüllte
kleine Gestalt glitt aus der Sänfte. Seidenschleier in Rosa und Gold, glühendem
Orange und tiefem Rot umwehten sie und schienen ihre Farbe zu wechseln, so wie
die Wüste unter der wandernden Sonne ihre Farbe wechselte. Goldene Arm- und
Fußreifen klingelten leise, und sekundenlang sah André winzige perlenbestickte
Pantoffeln. Er war wie betäubt vor Schreck, als sie sich plötzlich umwandte und
ihn aus Khol umrahmten Augen mit langen geschwungenen Wimpern und darüber
Augenbrauen wie Schmetterlingsflügel musterte. Erst sein Gesicht, dann seine
Gestalt, und er sah Interesse in ihrem Blick aufglühen, bevor sie mit einer
anmutigen Geste ihren Schleier über das Gesicht zog und sich wieder abwandte.
    Feradge, befriedigt von der Reaktion, die er
bei dem Franzosen beobachtet hatte, erklärte: „Seine Kaiserliche Majestät weiß,
wie einsam der Palast der Schönheit ist, ohne Frauen und ohne Kinder… Deshalb
sendet der Sultan Ihnen eine Blume aus seinem Garten, Aynur El Glaoua. Ihr
Vater ist das Oberhaupt der Glaoua-Berber. Er ließ sie am Hof erziehen.“
    Schweiß lief André den Rücken hinunter, und
daran war nicht die Mittagshitze schuld. Aus dem Augenwinkel nahm er seinen
Freund Udad bin Aziki wahr, dessen Miene nicht preisgab, was er dachte, während
seine Söhne grinsten und feixten. Die junge Berberfrau stand ein paar Meter von
ihm entfernt. Ihre Schleier bewegten sich im leichten Wind und zeichneten die
Umrisse einer zarten weiblichen Figur nach. Gegen seinen Willen verspürte André
ein Kribbeln in den Lenden und zwang sich, den Blick abzuwenden.
    Mit einer winzigen Handbewegung befahl die
Berberfrau die ältere Schwarze zu sich und murmelte etwas. Die Dienerin nickte
und wandte sich an André: „El Sayyida Aynur fragt, wo die Gemächer des Harems
sind. Sie möchte sich zurückziehen.“
    Er kämpfte gegen den Drang, laut loszulachen.
„Hier gibt es keinen Harem, und ich habe auch nicht vor, mir einen zuzulegen.“
    „Dann lasst andere Räume für mich
vorbereiten!“ Er fuhr zusammen, als er ihre Stimme hörte, die melodisch und
weich klang, sehr bestimmt und viel kräftiger, als er bei einer so kleinen
zierlichen Person erwartet hatte. Mit wehenden Schleiern entfernte sie sich, so
als gehörte Qasr el Bahia ihr, und er starrte ihr nach und brachte keinen Ton
heraus.
    Erst als sie mit der Dienerin im Inneren des
Hauses verschwunden war, kehrte seine Stimme zurück. „Nimm sie wieder mit!“,
fuhr er Feradge an. „Ich will sie nicht!“
    Der Leibeunuch rang entsetzt die beringten
Finger. „Das wäre eine Katastrophe, Sayyid! Sie dürfen dieses Geschenk nicht
ablehnen – oder wollen Sie Seine Kaiserliche Majestät beleidigen?“
    „Es geht nicht, Feradge, versteh doch, es
geht nicht!“ André warf entnervt die Hände in die Luft. Das Ganze war eine
riesige Katastrophe! Er konnte doch nicht

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