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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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nichts
dagegen.“ Benjamin stand vor ihr und blickte sie hoffnungsvoll an. Unwillig riss
sie sich von ihrer Lektüre los, drauf und dran, ihm eine Absage zu erteilen. Aber
dann überlegte sie es sich anders. Sie würde nie herausfinden, ob Hopkins als
künftiger Ehemann taugte, als einer, der ihr ihre Freiheit ließ und Wert auf
ihre Ansichten legte, wenn sie ihm keine Chance gab. Also klappte sie ihr Buch
zusammen und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Gern Mr. Hopkins. Wären Sie
so freundlich, mir aufzuhelfen? Meine Beine sind vom Sitzen ganz steif.“
    „Selbstverständlich!“ Benjamin, der sein
Glück kaum fassen konnte, reichte ihr rasch seinen Arm.
    „Glaubst du, dass es ihr dieses Mal ernst
ist?“, fragte Richard seine Frau, als die beiden sich Seite an Seite entfernten.
    Mary lächelte versonnen. „Wir müssen ihnen
zumindest Gelegenheit geben, es herauszufinden.“
     
    London im Februar 1836
     
    „Wir sind ein schönes Paar, Liebes. Jeder,
der uns zusammen sieht, findet das.“ Benjamin stand hinter Sibylla in der Halle
ihres gemeinsamen Hauses und lächelte seinem Abbild in einem der hohen
Kristallspiegel zufrieden zu.
    Es hat doch etwas für sich, dachte er, wenn
man in die Ateliers der besten Schneider, Hut- oder Handschuhmacher spazieren
und bestellen kann, was das Herz begehrt. Und das alles mit dem einfachen
Hinweis, die Rechnung bitte später an Hopkins, Stanhope Gate im exklusiven
Stadtteil Mayfair zu schicken.
    In den zehn Wochen, die seit seiner Hochzeit
mit Sibylla vergangen waren, hatte Benjamin sich bereits eine beachtliche neue
Garderobe zugelegt. Wenn wieder einmal Pakete angeliefert wurden, zog Sibylla
ihn schon damit auf, dass es nicht mehr lange dauern würde, dass sie anbauen
müssten, um alles unterzubringen.
    Auch jetzt betrachtete sie ihn mit spöttisch
glitzerndem Blick: „Könnte es sein, dass ich versehentlich einen Pfau
geheiratet habe?“
    Benjamin lächelte unsicher. Er mochte ihre
Neckereien nicht, denn er konnte nie einschätzen, ob sie liebevoll oder
schnippisch gemeint waren. Umso mehr schätzte er, wie seine Welt sich geändert
hatte, seit er zu den Reichen gehörte. Viele Menschen begegneten ihm mit neuer
Ehrfurcht. In der Reederei hatte er jetzt sein eigenes Büro, und seine
einstigen Kollegen bemühten sich fast ebenso, ihm zu gefallen wie dem Chef.
    An diesem Februarabend wollten sie zu Sibyllas
Eltern. Richard Spencer hatte einen Gast zum Essen eingeladen, einen Schotten
namens Liam Moffat, der im Auftrag der Geographischen Gesellschaft von London
die maghrebinischen Länder Nordafrikas bereist hatte. Seit die Reederei
Handelsbeziehungen mit Marokko unterhielt, war Richard an allen Informationen
über das Land sehr interessiert.
    „Der Wagen ist vorgefahren, Sir“, meldete der
Butler. Benjamin nahm Sibyllas Cape und legte es ihr um die Schultern. Dann
zupfte er den Kragen zurecht und nickte zufrieden, als das Licht der
Wandleuchten sich in ihrem Halsschmuck aus Amethysten brach. Obwohl der Anlass
familiär war, hatte er es sich nicht nehmen lassen, ihr Abendkleid und ihren
Schmuck auszusuchen. Sie ließ es sich gefallen, weil seine kindliche Freude am Luxus
sie amüsierte. Aber als er der Zofe auch noch ihre Frisur vorschreiben wollte,
hatte sie protestiert: „Du machst eine Puppe aus mir. Ich erkenne mich gar
nicht wieder!“ Er hatte sie so enttäuscht angeschaut, dass es ihr auf der
Stelle leidtat.
    Genau so hatte er an jenem Nachmittag im Juni
letzten Jahres auf Lord‘s Cricketgrund ausgesehen. Er hatte ihr eine Limonade
vom Erfrischungspavillion gekauft und sie dann gefragt, ob er sie bald besuchen
dürfte. Sie hatte mit der Antwort gezögert, hin und her gerissen zwischen
widerstreitenden Gefühlen. Während des Spaziergangs hatte sie nicht allzu viele
Gemeinsamkeiten festgestellt. Als Eheleute, fürchtete Sibylla, würden sie nur
nebeneinanderher leben. Dann fiel ihr die hässliche Auseinandersetzung mit
ihrem Vater wieder ein, und sie spürte, dass sie aus ihrem viel zu behüteten
Dasein ausbrechen wollte.
    „Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mich
bald besuchen“, hatte sie gesagt, und Benjamins Strahlen hatte einen Teil ihrer
Zweifel weggewischt.
    Im August hatte er um ihre Hand angehalten.
Mitte Dezember, als sie geheiratet hatten, hatte Sibylla nur eines sicher
gewusst: Dass sie Benjamin nicht liebte.
    Er wirkte auf sie wie ein Junge, der sich in
einem riesigen Spielzeuggeschäft aussuchen durfte, was immer er wollte. Weil er
es

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