Die Löwin
nicht in Gefahr, einen Feind vor Euch zu sehen.«
Rodolfo bedauerte wieder einmal, dass er den Mann nicht schon bei seinem Besuch in Caterinas Lager auf das rechte Maß zurechtgestutzt hatte. So musste er zähneknirschend zusehen, wie der Kerl Lanzelotto Aniballi und einige andere Offiziere auffordernd anblickte und diese auch sofort in sein höhnisches Gelächter einstimmten. Mit einer heftigen Bewegung drehte er der Gruppe den Rücken zu, denn er musste sich zwingen, seine Hand vom Schwertgriff fern zu halten. Als er zu seinen Leuten zurückkehrte, sah er an ihren Mienen, dass die Nachricht von der Einnahme Rividellos bereits zu ihnen gedrungen war.
Mariano Dorati kam ihm entgegen und fasste seinen Arm. »Stimmt das wirklich?«
»Es sieht so aus. Die Tedesca hat so reagiert, wie wir es hätten erwarten müssen. Sie ist schnurstracks auf ihr Ziel losgegangen und hat es gepackt wie ein Adler, der ein Kaninchen schlägt.«
Dorati lachte leise auf. »Was für eine Frau! Malatestas Gesicht hätte ich sehen mögen, als er es erfuhr, aber auch das deine.«
»Warum das meine?«, fragte Rodolfo verblüfft. »Ich habe immer davor gewarnt, diese Tedesca zu unterschätzen. Schließlich ist sie Monte Eldes Tochter, und zu was der imstande war, weiß von der Lombardei bis nach Neapel jedes Kind.«
Er brachte seine Ansicht so überzeugend vor, dass Dorati verwundert mit den Augen blinzelte. »Dann muss ich es wirklich mit den Ohren haben. Bis jetzt glaubte ich deinen Worten entnehmen zu können, diese Tedesca sei nur eine dumme Kuh, die man mit Leichtigkeit am Nasenring führen könne.« Mariano kicherte, als er den empörten Blick seines Freundes sah. »Nun ja, bei Malatesta kannst du ja anders geklungen haben als bei mir.«
»Das habe ich mit Sicherheit!«, antwortete Rodolfo und schämte sich der verächtlichen Worte, die er im vertrauten Kreis über Caterina fallen gelassen hatte. Wie es aussah, war sie ein Teufelsweib, das man nicht unterschätzen durfte. Doch er bezweifelte, dass Malatesta dies begriffen hatte, und bekam Bauchgrimmen von dem, was nun auf sie zukommen würde.
Seine Besorgnis wurde auch in den nächsten Tagen nicht geringer, denn Ugolino Malatesta reagierte wie ein gereizter Stier. Er zwang seine Kompanie zu Gewaltmärschen über Stock und Stein und bedrohte jeden, der in seinen Augen die Geschwindigkeit der Truppe behinderte, mit harten Leibesstrafen oder gar mit dem Tod. Rodolfo hielt es für ratsam, sich von ihm ebenso fern zu halten wie von Fabrizio Borelli, er hätte sich sonst unweigerlich mit ihnen gestritten. Zum ersten Mal, seit Olivaldi ihn Malatesta unterstellt hatte, war er froh, mit seinen Leuten die Nachhut zu bilden. Auch wenn er und seine Männer den Staub der anderen schlucken mussten, blieb ihnen wenigstens das Geschwätz über all das erspart, was der Capitano-General und dessen Freunde Caterina antun wollten.
In Rodolfos Augen war die Truppe dem Zusammenbruch nahe, als Rividello endlich vor ihnen auftauchte. Aus dem raschen Handstreich wurde jedoch nichts, denn die Turmwachen hatten sie schon von weitem entdeckt und die Tore verschlossen. Rodolfo lenkte sein Pferd einen Hang hinauf, der ihm einen freien Blick auf die Stadt bot, und musterte die in den letzten Monaten verstärkten Befestigungen. Diese Mauern zu übersteigen würde viele Opfer kosten, sagte er sich. Doch diese Bedenken durfte er sich nicht anmerken lassen, um den Kriegern und Knechten nicht den Mut zu nehmen. Daher sah er zu, wie die Männer in das kleine Wäldchen eilten, welches einige Tage zuvor Caterinas Trupp Deckung geboten hatte, und dort Holz für Leitern und Belagerungsgerät zu schlagen begannen.
Mariano Dorati war seinem Freund gefolgt und sah ebenfalls nach Rividello hinüber, über deren Zitadelle wie zum Hohn das Banner der Eisernen Kompanie wehte. »Ich hoffe, Malatesta weiß, was er tut, sonst wird er hier nicht nur eine Schlacht, sondern auch seinen Ruf verlieren.«
»Mir wäre es lieber, einer der anderen Condottieri in Mailands Diensten würde uns befehligen, sei es Perino di Tortona oder Ugolinos Vetter Carlo Malatesta. Ich würde sogar mit Freuden unter Henry Hawkwood dienen, auch wenn der Mann bei weitem kein solches Genie ist wie sein Vater. Unser Feldherr macht mir im Augenblick nämlich mehr Angst als der Feind.« Rodolfo schüttelte sich, als streife ihn ein kalter Hauch, und starrte wieder zur Stadt hinüber, auf deren Mauern nun die rot und schwarz gekleideten Krieger der Eisernen
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