Die Löwin
blass und verhärmt vor sich stehen sah, hätte sie am liebsten auch ihn befreit. Doch die Anweisung, die der Herzog von Molterossa ihr durch einen Kurier hatte überbringen lassen, war eindeutig. Sie musste Rodolfo d’Abbati als Gefangenen behandeln, bis sein Onkel über ihn entscheiden würde. Caterina ärgerte sich darüber, doch da sie das Lösegeld aus Mailand in die eigene Kriegskasse gesteckt hatte, fühlte sie sich dem Herrn auf Molterossa stärker verpflichtet als zuvor.
»Benötigt Ihr etwas, Signore, vielleicht ein Bad und frische Kleider?« Caterina sagte es aus einer Laune heraus und überraschte Rodolfo damit. Dieser kratzte sich am Kinn, auf dem der Bart wucherte, und sehnte sich plötzlich nach einem Rasiermesser und warmem Wasser.
»Wenn Ihr das veranlassen könntet, wäre ich Euch auf ewig verbunden.« Er wartete gespannt auf ihre Antwort und sah, wie sie sich an den hünenhaften Tedesco wandte, der in der Verkleidung eines Mönches zu ihr gekommen war und nun die Stelle eines Offiziers einnahm.
»Könntest du dafür sorgen, dass der Conte d’Abbati sich säubern und neu einkleiden kann? Ach ja – und bringe ihn nach oben. Dort gibt es genug Kammern mit festen Türen, deren Fenster vergittert sind.«
Da sie es auf Deutsch sagte, verstand Rodolfo es nicht, doch die Gesten, mit denen sie ihre Worte unterstrich, verrieten ihm genug.
Botho nickte und wies die vier Söldner an, den Gefangenen in ihre Mitte zu nehmen. »Lasst ihn aber nicht entkommen!«, befahl er ihnen mit dem Versuch, seiner Stimme einen strengen Klang zu geben. Obwohl er Caterina dankbar war, dass sie ihm in seiner Notsituation geholfen hatte, fühlte er sich nicht zum Soldaten berufen. Sie hatte jedoch seine Bitten, ihn ziehen zu lassen und seine Schulden bei ihr mit denen zu verrechnen, die ihr Vater bei dem seinen besaß, schroff abgelehnt.
Kurze Zeit später saß Rodolfo in einer dampfenden Badewanne und rieb sich von Kopf bis Fuß mit einer wohlriechenden Seife ein, die aus Caterinas eigenen Beständen stammen musste. War er unten in dem Loch noch mutlos und ohne Hoffnung gewesen, hätte er jetzt am liebsten gesungen. Selbst die beiden kräftigen deutschen Söldner, die an der Tür Wache hielten, vermochten seine gute Laune nicht zu trüben.
»Ist es nicht seltsam, Freunde, wie eine veränderte Umgebung auf einen Menschen wirkt?«, fragte er die Männer.
Diese starrten ihn verständnislos an. Zunächst nahm er an, die beiden verstünden keinen der italienischen Dialekte, doch als der Barbier mit Messer, Pinsel und Schale erschien, befahl einer der Söldner dem kleinen Mann, der so zittrig wirkte wie ein Weberknecht, in einem grobschlächtig klingenden Romagnolisch, Acht zu geben, dass der Gefangene ihm nicht das Rasiermesser entwende.
»Wenn Ihr nur eine falsche Bewegung macht, seid Ihr schnell wieder in Eurem Wanzenloch!«, warnte er auch Rodolfo. Dieser nickte lächelnd und beschloss, sich an diesem Tag über nichts mehr zu ärgern.
7.
R odolfo hatte es sich gerade in dem frisch bezogenen Bett bequem gemacht, als jemand heftig an seine Tür polterte. In der Annahme, eine der Wachen wolle ihn damit auf Caterinas Erscheinen aufmerksam machen, bat er um ein wenig Geduld, sprang aus dem Bett und wollte in seine Hosen schlüpfen. Er hatte gerade ein Hosenbein hochgezogen, da sprang die Tür auf und sein Vetter trat grinsend ein. Ihm folgte ein Mann, den Rodolfo lieber an jedem anderen Fleck der Welt gesehen hätte, nämlich der Kommandant der Leibwache seines Onkels. In Molterossa war er öfter mit dem steifknochigen Offizier aneinander geraten.
»Einen schönen Gruß von unserem Oheim! Er wartet schon auf deinen Besuch, Rodolfo. Nur wird er dir wohl eher einen Kerker im großen Turm als Wohnstatt zuweisen lassen als die schönen Gemächer, die du früher bewohnen durftest.« Amadeo rieb sich voller Vorfreude die Hände, denn Caterinas Entscheidung, Rodolfo aus dem Loch unten herauszuholen, hatte ihn arg gewurmt. Am liebsten hätte er seinen Vetter dem Capitano seines Onkels so übergeben, wie er ihn unten gesehen hatte – in Lumpen und von Ungeziefer zerfressen. Diese Hoffnung hatte die Tedesca zunichte gemacht, denn Rodolfo war sauber, gut rasiert und trug ein schmuckloses Gewand, aber von der Art, die einem Edelmann zukam.
Der Hauptmann aus Molterossa interessierte sich nicht für Amadeos Geschwätz, sondern stellte sich vor Rodolfo auf. »Seine Gnaden Herzog Arnoldo hat erfahren, dass die Capitana ihre
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