Die Löwin
dass er nicht der erste Gefangene war, der auf die brettharte Unterlage angewiesen war. In einem Anfall von Mutlosigkeit fragte er sich, wie viele Nächte er noch hier würde verbringen müssen. Seit sein Onkel ihn aus Molterossa verjagt hatte, war sein Leben aus den Fugen geraten. Hatte der alte Herr ihn vielleicht verwünscht oder gar einen Priester veranlasst, einen Fluch über ihn zu sprechen? Nein, nicht ein Priester, korrigierte er sich. Wahrscheinlich war es ein Hexer oder eine Hexe gewesen, anders konnte er sich sein jetziges Pech nicht erklären. Seine Gedanken wanderten weiter zu Caterina, der Siegerin in jener Schlacht, die Schmach und Schande über ihn gebracht hatte, und er stellte sich vor, wie er die Hände um ihren Hals legen und ganz genüsslich zudrücken würde, bis ihr Genick brach. Seine Phantasie aber wich diesem mörderischen Bild schnell aus und spiegelte ihm vor, wie er der Tedesca die Kleider vom Leib riss und sie wie ein brünstiger Bulle nahm.
Diese Vorstellung erschreckte ihn, denn bislang war er Frauen nie anders als höflich und zuvorkommend begegnet. Dann lachte er sich selbst aus. »Diese Deutsche ist keine Frau, sondern ein Mannweib! Würde sie sich sonst an die Spitze eines Söldnerheeres stellen?«
»Sprichst du mit dir selbst? Ich kann mir vorstellen, dass dies eine recht einseitige Unterhaltung ist.« Amadeos spöttische Worte machten Rodolfo bewusst, dass er nicht wahrgenommen hatte, wie seine Zellentür geöffnet wurde. Sein Vetter stand draußen auf dem Flur und grinste ihn hämisch an, während vier Söldner ihre Hellebarden drohend in die Zelle hielten, als müssten sie sich vor einem angriffslustigen Raubtier schützen.
»Das andere Gesindel wird morgen freigelassen, wie du wohl schon gehört hast. Du aber warst dem Mailänder Herzog keinen blanken Danaro wert.« Amadeo starrte seinen Vetter an, als erwarte er, ihn vor Schreck erbleichen zu sehen. Rodolfo zuckte jedoch nur mit den Schultern und ließ seinen Blick über das gemauerte Tonnengewölbe schweifen, als gäbe es dort oben etwas Interessanteres zu sehen.
»Du bleibst unser Gefangener!«, setzte Amadeo hinzu.
»Auch gut!«, antwortete Rodolfo scheinbar leichthin.
Amadeo stampfte mit dem Fuß auf den Boden. »Du wirst es noch bedauern, unseren Onkel gegen dich aufgebracht zu haben. Er sieht dich als Verräter an, weil du in die Dienste des Herzogs von Mailand getreten bist. Vielleicht wird er dich dafür sogar köpfen lassen.«
»Das wäre das Beste, was er machen könnte. Dann müsste ich mir dein dummes Geschwätz nicht länger anhören.« Rodolfo bemerkte zufrieden, dass sein Vetter innerlich schäumte. Nun sah der Kerl so aus, als würde er am liebsten den Söldnern befehlen, den Gefangenen aus der Zelle zu holen und auspeitschen zu lassen.
Amadeo zügelte sich jedoch, wahrscheinlich aus Angst vor der Tedesca – oder vor seinem Onkel. »Du wirst schon noch um Gnade winseln, wenn der Henker von Molterossa sein Meisterstück an dir vollbringt.« Mit dieser giftigen Bemerkung wandte der jüngere Caetani sich ab, gab den Söldnern den Befehl, die Zelle zu verschließen, und verließ vor Wut kochend den Kerker.
Rodolfos Gedanken führten einen wirren Tanz auf. War sein Onkel wirklich so zornig auf ihn, dass er ihn hinrichten lassen wollte?, fragte er sich. Herzog Arnoldo Caetani war zwar ein fanatischer Gegner Mailands, doch bislang hatte er sich eingebildet, das gemeinsame Blut verbinde sie trotz allem miteinander. Nun packte ihn tiefste Verzweiflung und für einige Augenblicke wünschte er sich einen schnellen, schmerzlosen Tod. Noch während er überlegte, ob er nicht einen der Wächter um ein wirksames Gift bitten sollte, erhielt er zum zweiten Mal an diesem Tag Besuch.
Es war beinahe die gleiche Situation. Die Tür wurde geöffnet und vier Söldner streckten ihre Hellebarden herein. Diesmal befand sich jedoch nicht Amadeo bei ihnen, sondern Caterina. Rodolfo starrte sie an und spürte, wie der Wunsch, sie zu packen und zu schütteln, in ihm immer stärker wurde. Mit einer schnellen Bewegung stand er auf, verschränkte die Arme vor der Brust und bemühte sich, demonstrativ auf sie hinabzusehen. »Was verschafft mir die Ehre Eures Besuches, Signorina?«
»Ich wollte nur sehen, wie die Gefangenen untergebracht sind.« Caterina schauderte noch bei dem Gedanken, wie eng die anderen Männer zusammengepfercht gewesen waren, und sie dankte Gott, dass sie die Leute endlich freilassen konnte. Als sie Rodolfo
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