Die Löwin
Gefangenen freilässt, und will verhindern, dass Ihr weiterhin den ehrenvollen Namen der Caetani von Molterossa in den Schmutz tretet. Daher hat er mir den Befehl erteilt, Euch in die Heimat zu bringen, damit Ihr die gerechte Strafe für Eure Untreue erhaltet.«
Das Auftreten des Offiziers war zwar das eines Kerkermeisters, aber er redete Rodolfo wie einen Herrn von Stand an. Das fuchste Amadeo und er trat giftig nach. »Hoffentlich steckt unser Oheim dich in das tiefste, schmutzigste Loch, das es auf Molterossa gibt!«
»Ich danke dir für deine lieben Wünsche, Vetter. Möge es mir einmal vergönnt sein, ebenso edel an dir zu handeln.« Rodolfo zog sich seelenruhig an und wandte sich dann an den Capitano. »Wann wollt Ihr aufbrechen?«
»Morgen bei Sonnenaufgang! Ich will die Stadt verlassen haben, wenn das Geschmeiß aus Mailand hier erscheint.«
Rodolfo grinste. »Gut, dann kann ich ja noch eine Nacht hier schlafen. Oder soll ich auf Wunsch meines lieben Vetters diese Kammer räumen und wieder in den Kerker zurückkehren?«
Amadeo sah so aus, als wolle er die Wachen rufen, um seinen Vetter wieder nach unten bringen zu lassen, doch der Capitano winkte ab. »Das ist nicht nötig. Seid bei Morgengrauen reisefertig! Bis dorthin Gott befohlen.« Bei diesen Worten blickte er Amadeo auffordernd an und verließ dann nach ihm die Kammer.
Als die Tür hinter den beiden verriegelt wurde, atmete Rodolfo auf und fragte sich, ob er bereits so genügsam geworden war, dass eine Nacht in einem weichen Bett ihm als höchster Genuss erschien. Das Einzige, was ihm vielleicht noch fehlte, war ein hübsches Mädchen wie zum Beispiel jene Renza, die er vor Lanzelotto Aniballi und dessen Spießgesellen gerettet hatte. Er versuchte, sich das Gesicht der Wirtsmagd vor das innere Auge zu rufen, doch an ihrer Stelle formte sich Caterinas Bild.
Rodolfo sah ihre Opalaugen vor sich, die denen einer Italienerin glichen und doch so hochmütig und kalt blicken konnten, als beständen sie aus Gletschereis. Gäbe es eine himmlische Gerechtigkeit auf Erden, dachte er, würde er, ehe er in Molterossa den Kopf verlor, die Tedesca wenigstens einmal unter sich spüren. Das wäre die Rache für seine schmähliche Niederlage vor den Toren dieser Stadt und sein wohl nicht weniger ruhmloses Ende gewesen.
Er verscheuchte Caterinas Antlitz ebenso aus dem Kopf wie seine lächerlichen Wünsche, zog sich wieder aus und legte sich hin. Dabei fragte er sich, wem er lieber den Hals umdrehen würde, seinem aufgeblasenen Vetter oder Monte Eldes Tochter. Doch ehe er zu einem Ergebnis kam, sank er in einen tiefen, von keinem bösen Traum geplagten Schlaf.
8.
F ür Caterina war das Auftauchen des Capitano aus Molterossa ebenfalls ein Schock gewesen, denn sie hatte sich darauf eingerichtet, Rodolfo Caetani auf ihren Ritt mitzunehmen, und verspürte wenig Lust, ihn dem Sendboten seines Onkels zu übergeben. Aber ihr war klar, dass sie sich nicht weigern durfte. Herzog Arnoldos Bote hatte ihr mehrere schwere Beutel mit Goldmünzen als Anzahlung für ihren Sold auf den Tisch gelegt und gleichzeitig erklärt, dass sein Herr es guthieße, wenn sie das Lösegeld für Ugolino Malatestas Leute mit weiteren Soldzahlungen verrechnen würde. Dann erst hatte der Mann sie gebeten, Rodolfo sehen zu dürfen.
In jenem Augenblick war Caterina froh gewesen, Rodolfo aus dem Kerker herausgeholt und ihm frische Kleidung gegeben zu haben, und sie rang mit sich, ob sie den Capitano zu Rodolfos jetzigem Quartier begleiten sollte. Doch eine ihr unerklärliche Scheu hielt sie davon ab, Rodolfo persönlich dem Mann zu übergeben, der ihn nach Einschätzung seines Vetters dem Henker ausliefern würde, und so hatte sie diese Aufgabe Amadeo übertragen. Nun saß sie in ihrer Kammer, starrte durch das Fenster in die zunehmende Dämmerung hinaus und wurde sich ihrer selbst erst wieder bewusst, als ihre Freundin die Tür öffnete.
Die Nacht war längst hereingebrochen und doch brannte keine einzige Lampe. Bianca erschrak. »Fühlst du dich nicht wohl, meine Liebe?«
Caterina winkte ab, obwohl ihre Freundin diese Geste in der Dunkelheit nicht sehen konnte. »Es ist nichts, Bianca. Ich habe nur ein wenig nachgedacht und dabei die Zeit verrinnen lassen.«
»Du brauchst Licht! Warte, ich hole einen Fidibus.« Bianca drehte sich um und lief zu der blakenden Fackel, die den Flur erleuchtete, zündete dort einen Holzspan an und kehrte mit der kleinen Flamme zurück. Kurz darauf spendeten von
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