Die Löwin
Vorherrschaft in Norditalien nur mit der Zunge und nicht mit Waffen ausgetragen, könnte man wohl darüber lachen, sagte sie sich. Doch leider floss umso mehr Blut, je gezierter und liebenswürdiger die Worte gesetzt wurden. Daran würde sie sich gewöhnen müssen, wollte sie in diesem Sumpf aus Intrigen und Gegenintrigen nicht untergehen.
10.
E twa zu derselben Zeit, in der Caterina mit dem Vertreter Pisas sprach, empfing auch der Herzog von Molterossa einen Gast. Der Mann trug den Namen Visconti wie sein Herr in Mailand, jedoch nicht von Geburt an. Sein Erzeuger, ein entfernter Verwandter von Gian Galeazzos Vater, hatte von diesem das Privileg erwirkt, seinem Bastard den Sippennamen geben zu dürfen. Auch dieser Visconti hatte sich mehr als prächtig gekleidet, und die Geschenke, die er vor dem alten Herzog durch seine Diener ausbreiten ließ, waren ebenso wertvoll wie von erlesenem Geschmack.
Arnoldo Caetani saß auf seinem erhöhten Sitz, blickte auf den Gesandten und die prachtvollen Gaben und murmelte unbewusst ein altes Sprichwort: »Ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen.«
Der Visconti vernahm die Worte, obwohl der Herzog sehr leise gesprochen hatte, und zwang seinen Lippen ein Lächeln auf. »Euer Gnaden können ganz unbesorgt sein. Mein Verwandter, Seine Gnaden der Herzog der Lombardei, empfindet die freundschaftlichsten Gefühle für Euch und wünscht mehr als alles andere Frieden zwischen Euch und ihm.«
»Ha!«, antwortete Arnoldo Caetani.
»Doch, doch! So ist es wirklich!«, versicherte der Gesandte. »Es ist an der Zeit, in Italien eine neue Ordnung zu schaffen, und mein erhabener Vetter wünscht, dass Ihr ein Teil dieses neuen Italien sein werdet.«
»Als sein Vasall? Niemals!« Der alte Herr hob den Fuß, als wolle er dem Mailänder einen Tritt versetzen, senkte ihn dann aber wieder und funkelte den Mann zornig an. »Jetzt rede schon! Was will dein Herr tatsächlich von mir? Um mein Wohlwollen geht es Gian Galeazzo gewiss nicht. Er hat es nicht nötig, sich um eine kleine Stadt und eine Burg in den Bergen zu kümmern.«
»Molterossa ist ein prächtiges Städtchen und die Burg fest und schier uneinnehmbar. Sie aus den Augen zu verlieren wäre ein Fehler. Doch in einem habt Ihr Recht: Mein erhabener Vetter richtet wirklich einen Wunsch an Euch. Während des an und für sich belanglosen Geplänkels bei Rividello sind mehrere Offiziere und Söldner in die Hände Eurer Capitana gefallen. Diese kann mein Herr auslösen, jedoch ein Mann wird ihm verweigert.«
»Mein Neffe Rodolfo!« Caetani schnurrte vor Zufriedenheit, dass es ihm gelungen war, seinen jungen Verwandten in die Hände zu bekommen, auch wenn dieser noch nicht hinter festen Mauern eingesperrt war.
Der Mailänder nickte. »Genau diesen. Mein Herr wünscht, auch den Conte d’Abbati auszulösen, und bietet Euch eine Summe von zwanzigtausend Dukaten für ihn. Er will den jungen Herrn unbedingt wiederhaben, müsst Ihr wissen.« Das Letzte klang wie eine Drohung.
Der Herzog von Molterossa war zunächst überrascht von der stattlichen Summe, die der Mailänder für Rodolfo bot. Wie es aussah, war Gian Galeazzo bereit, den jungen Taugenichts in Gold aufzuwiegen, nur um ihn wieder in sein Gefolge aufnehmen zu können. Dann wurde dem alten Herrn der Grund schlagartig bewusst. Es ging dem Herzog darum, ein Zeichen zu setzen nach dem Motto: Seht her, ich lasse keinen Verbündeten Mailands im Stich! Doch genau diesen Trumpf wollte Caetani seinem Feind nicht gönnen.
»Ihr verlangt Unmögliches! Rodolfo ist mein Gefangener und wird es auch bleiben. Und damit basta! Packt Euren Kramladen wieder ein und verschwindet, Signore!« Der alte Herr glaubte das Gespräch damit beendet, doch der Visconti hob beschwörend die Hände.
»Euer Gnaden, lasst Euch doch nicht vom Zorn übermannen. Bedenkt die Macht meines erhabenen Verwandten. Für jedes Städtchen, das Ihr für Euer kleines Bündnis gewinnt, schließen sich fünf andere Mailand an. Schon jetzt reicht der Arm des Herzogs der Lombardei bis vor die Tore von Florenz und bis in den Kirchenstaat hinein. Seine Condottieri tränken ihre Pferde bereits an der Adria …«
»Salzwasser können die Gäule nicht saufen«, fiel Caetani ihm ins Wort. Doch auch er konnte nicht leugnen, dass Gian Galeazzo Visconti in den letzten Jahren schier übermächtig geworden war.
Sein Besucher bemerkte eine gewisse Unsicherheit, lächelte selbstzufrieden und wies mit einer eleganten Geste auf die
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