Die Löwin
und sichtlich verschlafen im Hemd und mit nackten Beinen vor seinen Herrn trat, sah er so aus, als könne er kein Wässerchen trüben.
»Du Hund hast Jungfer Caterina heute Nacht ins Freie gelassen!« Trefflich begleitete diese Anschuldigung mit einem Faustschlag ins Gesicht des Türmers. Dieser taumelte und starrte ihn scheinbar verwirrt an.
»Was soll ich getan haben?«
»Du hast der Gefangenen das Tor geöffnet!« Ein weiterer Faustschlag klatschte ins Gesicht des Waffenknechts.
Der Türmer zog sich ein paar Schritte zurück und schüttelte den Kopf. »Nein, Herr, das habe ich gewiss nicht.« Dabei verdrängte er, dass er die Pforte im Tor am Morgen unverriegelt vorgefunden hatte.
Trefflich lachte höhnisch. »Und wie soll sie sonst entkommen sein? Ist sie über die Mauer geflogen oder was?«
»Möglich wäre es«, antwortete der Waffenknecht ernsthaft. »Ihre Mutter stammt aus Italien, und dort sollen die Weiber Geheimnisse kennen, die unsereinem unbekannt sind.«
Trefflich versetzte ihm zwei weitere Hiebe. »Mit dem Gerede willst du doch nur dein Versäumnis verschleiern! Hättest du in der Nacht nach der Jungfer gesehen, wäre sie gewiss nicht entkommen.«
Der Türmer wich Trefflichs nächstem Schlag aus und hob in gespielter Empörung die Hände. »Herr, gestern Abend habt Ihr befohlen, dass sich keiner dem Wolfsloch nähern und mit der Jungfer sprechen dürfe!«
Die Tatsache, dass der Mann Recht hatte, stimmte Trefflich nicht milder. Da er jedoch auf diese Weise nicht weiterkam, wandte er sich mit einer wütenden Geste seinem Sohn zu. »Noch haben wir die beiden anderen Gefangenen. Du wirst jetzt nach Eldenberg reiten und erklären, dass es Adam und Jockel schlecht ergehen wird, wenn die Jungfer sich meinem Willen nicht beugt.«
In seinem bisherigen Leben hatte Botho nur selten Widerspruch gewagt, doch jetzt wiegte er bedenklich den Kopf. »Das halte ich für keine gute Idee, Vater. Was ist, wenn Jungfer Caterina auf den Gedanken kommt, mich festsetzen zu lassen, um ihre Gefolgsleute dadurch freizupressen?«
Trefflich starrte seinen Sohn an, als erkenne er den ersten Funken Verstand bei ihm, und nickte beinahe widerstrebend. »Du hast Recht! Dieses verdammte Weibsstück wäre dazu in der Lage. Also müssen wir uns etwas anderes ausdenken, um sie gefügig zu machen. Zieh dich an und reite nach Greblingen zu Herrn Ludwig. Der ist zwar mit Jungfer Caterina verwandt, wird aber froh sein, wenn ich ihm den drückendsten Teil seiner Schulden erlasse. Er soll diese Botschaft nach Eldenberg bringen. Beeile dich aber, denn ich will so rasch wie möglich Antwort haben. Greblingen kann ruhig andeuten, dass ich Adam und Jockel foltern und aufhängen lasse, wenn die Jungfer nicht nachgibt.«
»Das kannst du nicht tun, Vater! Der ganze Gau würde sich darüber empören«, protestierte Botho.
Sein Vater fuhr diesmal nicht auf, sondern winkte lachend ab. »Wer sagt dir, dass ich es wirklich tue? Die Jungfer soll es nur glauben. Ich schwöre dir, noch bevor der Abend hereinbricht, kommt sie angekrochen und fleht um das Leben ihrer Leute.«
Trefflich schob seinen Sohn auf das Tor des Palas zu und befahl ihm, keine Zeit zu verlieren. Dann ließ er sich im reich geschmückten, aber ohne Waffen, Schilde und Banner wenig beeindruckenden Rittersaal ein Mittagessen auftragen, dessen Reichhaltigkeit ihn über das entgangene Frühstück hinwegtrösten sollte.
Der Tag zog sich dahin, als säume die Sonne auf ihrem Weg, und es war schon Abend, bevor sich jemand der Burg näherte. Doch es war nicht Caterina, die als reuige Sünderin zurückkehrte, sondern nur sein Sohn, dessen Miene so hoffnungslos wirkte, als müsse er sich sämtlichen biblischen Plagen stellen. Er stieg ungelenk von seinem Pferd und ging mit greisenhaft steifen Bewegungen ins Haus. Dort schnauzte er einen Diener an, ihm Wein zu bringen, und betrat den Saal erst, als er den ihm gereichten Pokal bis zur Neige geleert hatte.
Sein Vater erwartete ihn mit hochrotem Gesicht, doch ehe er lospoltern konnte, hob Botho die Hand. »Ich war bei Greblingen und habe ihn zu Caterina geschickt. Der ist jedoch mit der Nachricht zurückgekommen, dass die Jungfer sich kurz nach der Mittagsstunde auf den Weg zu ihrem Vater gemacht hat – nach Italien! Ach ja, sie hat eine Nachricht für dich hinterlassen, die ein Knecht Greblingen ausgerichtet hat: Wenn du ihren beiden Getreuen auch nur ein Haar krümmst, kommt sie mit den Söldnern ihres Vaters über uns und lässt uns
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