Die Löwin
den Trausegen spenden kann.« Trefflichs Laune war selten besser gewesen als in diesem Augenblick. Beim Aufstehen sagte er sich, dass ihm wirklich alles gelang. »Caterina Trefflich auf Rechlingen, geborene von Eldenberg. Da kann sich die Jungfer nicht beschweren.« Zufrieden rief er seinen Leibdiener herein und ließ sich von ihm Hände und Gesicht mit einem feuchten Tuch abreiben und anschließend in die Kleider helfen. Zu dem feierlichen Anlass hatte er das lange Gewand aus blau schimmerndem Damast gewählt, das eher einem Edelmann als einem einfachen Bürger zustand. Seine zukünftige Schwiegertochter sollte daran erinnert werden, dass sie in keine arme Familie einheiratete. Gleichzeitig beschloss Trefflich, Caterinas verletztes Gemüt mit einigen schönen Kleidern und etwas Schmuck zu versöhnen. Während er gerade darüber nachsann, welches Geschenk er Caterina anlässlich der Geburt seines ersten Enkels übergeben sollte, ertönte draußen ein entsetzlicher Schrei.
»Caterina ist weg!«
»Narretei!«, murmelte der Kaufherr. Dennoch verließ er sein Gemach in ungewohnter Eile und hastete in den hinteren Hof. Um die Wolfsgrube hatten sich bereits einige Knechte und Mägde versammelt und starrten in die Tiefe. Trefflich schob sie beiseite, um selbst hineinschauen zu können.
Caterina war nirgends zu sehen, dafür aber stand das Wasser in dem Loch mindestens drei oder vier Ellen hoch. Eine eisige Hand fasste nach dem Herzen des Kaufherrn, und er verfluchte sich, weil er verboten hatte, in der Nacht nach der Gefangenen zu sehen. Das gestrige Unwetter hatte getobt, als führe der Teufel selbst die Wilde Jagd an, und neben starken Regenfällen auch heftigen Hagelschlag mit sich gebracht, der, wie die Knechte ihm erregt mitteilten, sogar die Äste großer Bäume abgeschlagen hatte. Trefflich erschrak bei der Vorstellung, die eisigen Geschosse könnten Caterina bewusstlos geschlagen haben, so dass sie im angesammelten Regenwasser ertrunken war.
»Schöpft das Loch leer!«, herrschte er das umstehende Gesinde an. Die Leute schienen seine Überlegungen zu teilen, denn sie bekreuzigten sich und rannten davon, um Eimer und andere Gefäße zu holen.
Es war sehr viel Wasser in dem Loch, und die Männer mussten fast bis zur Mittagsstunde schöpfen, um den Grund zu erreichen. Es lag aber kein toter Körper auf dem Boden der Grube. Trefflichs Erleichterung darüber hielt nur kurz an. Da Caterina nicht mehr in der Grube war, musste jemand sie herausgeholt haben. Noch während er überlegte, wer von seinem Gesinde so pflichtvergessen gewesen sein konnte, ihr aus dem Loch herauszuhelfen, zeigte Felix, der um das Loch herumgegangen war, mit einem erstaunten Ruf auf eine Reihe in die Grubenwand geschlagener Pflöcke und Knochenstücke, die wie eine primitive Leiter nach oben führten und fast bei Trefflichs Füßen endeten. Zunächst wollte der Kaufmann nicht glauben, dass ein Mädchen wie Caterina den notwendigen Verstand und vor allem die Kraft haben konnte, sich auf diese Weise selbst zu befreien. Doch als Felix probehalber auf der primitiven Leiter in die Tiefe stieg und wieder nach oben kam, musste der Kaufherr mit knirschenden Zähnen zugestehen, dass Franz von Eldenbergs Tochter ihn überlistet hatte.
»Schockschwerenot, was steht ihr noch herum? Sucht nach diesem Weibsstück und wagt es nicht, ohne sie zurückzukommen!«, schrie er seinen Sohn und die beiden Knechte an, die er in seine Pläne eingeweiht hatte.
»Jungfer Caterina muss schon seit Stunden fort sein, denn sonst hätten die Mägde, die die Strohschütten weggeräumt und die Fensterläden geöffnet haben, sie längst gefunden. Im Stall kann sie auch nicht sein, da die Pferde ruhig geblieben sind. Wahrscheinlich hat sie sich längst auf Eldenberg in Sicherheit gebracht«, erklärte Felix mit einem Gesicht, als sähe er die Flucht ihrer Gefangenen als eine persönliche Beleidigung an.
Trefflich war außer sich vor Zorn. »Mach dich nicht lächerlich! Sie muss noch in der Burg sein. Wo ist der Türmer, der diese Nacht Wache gehalten hat?«
»Der hat sich vorhin zum Schlafen niedergelegt, Vater«, antwortete Botho.
»Dann weck ihn, du Narr! Wenn Caterina ihm entkommen ist, wird er was erleben, sage ich euch. Der wird sich wünschen, nie geboren worden zu sein.«
Während sein Vater schrie und tobte, rannte Botho los, um den Mann zu holen. Der war unterdessen von dem Geschrei auf dem Hof wach geworden und hatte sich seine Gedanken gemacht. Als er gähnend
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