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Die Löwin

Die Löwin

Titel: Die Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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an den Zinnen des höchsten Turmes aufhängen.«
    Im ersten Augenblick war Trefflich sprachlos, dann aber brüllte und fluchte er in einer Weise, dass sein Sohn, der schon viele Tobsuchtsanfälle des Vaters erlebt hatte, kurz davor war, die Burg auf immer zu verlassen. Doch schließlich begriff Botho, dass sein Vater sich trotz all der großspurigen Worte innerlich vor Angst krümmte. Trefflichs Beschreibung zufolge war der alte Eldenberg ein Söldling, der sich an den Meistbietenden verkaufte, ein gewalttätiger Bursche ohne jede Lebensart. Er konnte es sich durchaus vorstellen, dass der Ritter mit seinem Haufen Totschläger über das Gebirge kam, um einen ehrbaren Kaufmann für den kleinen Streich zur Rechenschaft zu ziehen, den dieser seiner Tochter gespielt hatte, und dabei einen lästigen Gläubiger zu beseitigen. Dieses Weibsstück Caterina würde die an und für sich harmlose Begebenheit gewiss aufblasen und ihn, den Herrn von Rechlingen, in ein denkbar schlechtes Licht rücken.
    Eine Weile haderte Trefflich mit sich, weil er dieses Spiel begonnen hatte, doch dann gewann die Selbstbeherrschung, die seine Geschäftspartner zu fürchten gelernt hatten, die Oberhand und er tippte Botho mit dem Zeigefinger auf die Brust. »Du wirst dich ungesäumt auf den Weg machen und Caterina folgen. Fange sie ab, bevor sie ihren Vater erreicht! Sollte dir das nicht gelingen, so sprich mit dem alten Eldenberg. Erkläre ihm, dass seine Tochter in ihrer Überspanntheit aus einer Mücke einen Auerochsen gemacht hat, und bringe deine Werbung um die Jungfer bei ihm an. Versprich ihm, auf jede Mitgift zu verzichten, und biete ihm stattdessen noch ein- oder zweitausend Gulden, damit er seine halbverhungerte Kriegerschar ernähren kann. Du wirst sehen, dann wird alles gut und du kannst mit der Jungfer als deinem angetrauten Weib in die Heimat zurückkehren. Es ärgert mich, dass ich nicht genügend Geduld aufgebracht und mich direkt an Eldenberg gewandt habe. Dann hätten wir den ganzen Wirbel mit dieser widerspenstigen Caterina vermeiden können.«
    »Ich soll nach Italien reisen?«, fragte Botho erschrocken.
    »Ja! Verstehst du kein Deutsch mehr? Und zieh nicht ein Gesicht, als würde ich dich zu den Muselmanen schicken! Die Italiener sind recht angenehme Leute. Ich war in meiner Jugend ein paarmal in ihrem Land und habe dort Handelsbeziehungen geknüpft, die den Grundstock zu unserem jetzigen Reichtum bilden. Es wird dir gut tun, dir einmal einen anderen Wind um die Nase wehen zu lassen. Vielleicht wirst du auf dieser Reise sogar erwachsen.«
    Trefflich versetzte seinem Sohn einen beinahe zärtlich zu nennenden Backenstreich und sagte sich, dass er auf diese Weise zwei Fliegen mit einer Klappe schlug. Zum einen konnte Botho mit dem alten Eldenberg ein Übereinkommen erzielen und zum anderen einige Geschäftspartner aufsuchen, an deren Wohlwollen ihm sehr gelegen war.

6.
    B attista Legrelli, der Podesta von Mentone und Gastgeber dieser Zusammenkunft, war mit seinen Gästen alles andere als zufrieden. Obwohl er sie in ein Landhaus in einem abgelegenen Landstrich der Toskana eingeladen hatte, ärgerte er sich über ihre eher schlichte Erscheinung. Statt Gewänder zu tragen, die einer solch wichtigen Versammlung angemessen waren, steckten sie in derber Reitkleidung, die einen penetranten Geruch nach Leder, Schweiß und Pferden verströmte. Er hingegen hatte ihnen zu Ehren ein neues, dick mit Gold besticktes Wams mit langen Schleppärmeln angelegt und trug dazu Sohlenstrümpfe aus glänzender roter Seide. Statt seinen Beweis guten Willens zu achten, maßen die neun Männer, die an seiner Tafel saßen und seinen Wein tranken, ihn gelegentlich mit Blicken, als seien sie Räuber und er ein reicher Kaufmann, der ihre nächste Beute werden sollte.
    Ebenso wenig wie das Erscheinungsbild und die Umgangsformen seiner Gäste gefiel ihm der Verlauf des Gesprächs. Seit einer Stunde drehte die Diskussion sich im Kreis, und er war seinem Ziel, eine gütliche Vereinbarung unter den hier versammelten Condottieri zu erreichen, keinen Schritt näher gekommen. Verärgert über deren Sturheit befahl er den Dienern, seinen Gästen neuen Wein einzuschenken. Während er den Männern zutrank, musterte er jeden Einzelnen und versuchte, in ihren Mienen zu lesen, um auf diese Weise doch noch den Zipfel einer Chance zu erhaschen, das Blatt wenden zu können.
    Zu seiner Linken saß Giacomo Attendolo, genannt Sforza, dessen braunes Wams mindestens ein Mal geflickt

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