Die Löwin
Märkte in dessen Umgebung zu wachen. Caterina, die sich nur wenig für solche Dinge interessierte, lehnte sich zurück und sann wieder über die Bocksprünge des Schicksals nach, die sie wie einen Sack Lumpen hin und her geworfen hatten.
Iacopo Appianos kühner Streich hatte Herzog Gian Galeazzo gezwungen, seine Truppen aus Pisa abzuziehen und ein horrendes Lösegeld für seine gefangenen Emissäre zu bezahlen. Nicht lange danach aber war ihr der Erfolg wie Wasser zwischen den Fingern zerronnen, denn die Anstrengungen und die Aufregung des Kampfes hatten Messer Iacopos letzte Kräfte gefordert und er war wenige Monate später gestorben. Gherardo Leonardo Appiano war sein Nachfolger geworden und hatte sofort den Ausgleich mit Mailand gesucht. Daraufhin besetzten die Visconti-Truppen, die sein Vater mühsam aus der Stadt vertrieben hatte, mit seinem Segen die Zitadelle von Pisa, und Angelo Maria Visconti stand als graue Eminenz und wahrer Herr der Stadt hinter dem neuen Capitano del Popolo.
Zu ihrem Glück hatten einige von Messer Iacopos alten Vertrauten Caterina rechtzeitig gewarnt, denn Gherardo Appiano war bereit gewesen, sie und die Eiserne Kompanie an die Mailänder zu verkaufen. So hatte sie mit ihrer Truppe noch früh genug abziehen und den lautstark geäußerten Rachegelüsten Ugolino Malatestas und ihres Vetters Fabrizio Borelli entkommen können. In Molterossa, das ihr und ihren Leuten als einzige Zuflucht geblieben war, hatte Arnoldo Caetani ihr eröffnet, dass er nicht in der Lage sei, ohne Unterstützung durch andere für den Unterhalt und den Sold ihrer Truppe zu sorgen. Das aber bedeute, wie er sie sofort beruhigt hatte, keine Auflösung der Condotta, und der alte Herr hatte auch sofort seine Fühler ausgestreckt, um an Geld zu kommen. Die nächstliegende Möglichkeit wäre Florenz gewesen, doch der Herzog von Molterossa hatte den Landhunger dieser toskanischen Republik ebenso zu fürchten wie die Machtgelüste des Gian Galeazzo Visconti.
Siena, Bologna und Ferrara hatten sich bereits bis unter die Hirnschale bewaffnet und mit Truppen versehen, und den anderen Städten fehlte es schlicht und einfach an Geld, um die Eiserne Kompanie besolden zu können. Der alte Herzog hatte sogar in Rom nachgefühlt, war aber abschlägig beschieden worden, da der Heilige Stuhl einer Frau nicht zutraute, eine Söldnertruppe mit Erfolg zu führen. Außerdem waren die päpstlichen Kassen wieder einmal leer und der derzeitige Träger der Tiara war vor allem damit beschäftigt, Bannsprüche gegen seinen Widersacher in Avignon auszusprechen. Für die Bedrohung durch Mailand interessierte man sich in Rom daher nur wenig.
So blieben nur zwei Möglichkeiten: das Königreich Neapel und Venedig. Da König Ladislao ebenfalls Appetit auf Gebiete des Kirchenstaats nachgesagt wurden, hatte Arnoldo Caetani erklärt, dass Verhandlungen mit Venedig wohl die größte Aussicht auf Erfolg besäßen, und Caterina kurzerhand in die Lagunenstadt geschickt. Obwohl sie sich darüber geärgert hatte, wie der Herzog über ihren Kopf hinweg bestimmt hatte, war Caterina nichts anderes übrig geblieben, als seinem Neffen Amadeo den Befehl über ihre Truppen anzuvertrauen. Auf dieser Reise begleiteten sie neben ein paar vertrauenswürdigen Söldnern wie Friedel, dem alten Martin und Görg ihre Freundin Bianca, deren Bruder Camillo und Malle.
»Dort ist San Marco!« Erneut riss ein Ausruf Caterina aus ihrem Grübeln. Als sie aufblickte, sah sie den Dogenpalast vor sich, das Symbol des Reichtums und des Einflusses dieser Stadt. Sie musste ihren Blick von dem beeindruckenden Gebäude losreißen, um nach der Kirche des heiligen Markus Ausschau zu halten. Wirkte der Palast mit seinen geraden Linien und der strengen Architektur eher abweisend, so flößte ihr San Marco mit seinen hoch aufragenden Kuppeln und dem einzeln stehenden Campanile so viel Ehrfurcht ein, dass sie ein kurzes Gebet sprach.
Der Gondoliere steuerte auf das gemauerte Ufer zu und brachte sein Boot mit einem einzigen schnellen Schlag des Ruders zum Stehen. Die Bordwand berührte die Mole dabei so sanft, als wolle sie sie küssen. »Wir sind da, Signorina!«
Caterina nickte, erhob sich und versuchte auf dem schwankenden Boot ihr Gleichgewicht zu bewahren. Als sie an Land stieg, streckten sich ihr sofort einige hilfreiche Arme entgegen. Sie gehörten zwei jungen Männern in schreiend bunten Hosen und Jacken, die vor Verzierungen und Stickereien nur so strotzten. Kecke Kappen saßen
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