Die Löwin
Schöpfung des Teufels und fand immer neue Gründe, warum ihr die Stadt nicht geheuer war. »Die Venezianer treiben Handel mit den Sarazenen und sollen, wie man so hört, auch ehrliche Christenmenschen als Sklaven an die Heiden verkaufen.«
Offensichtlich hatte die Dienerin Angst, sie könnten zu Opfern eines solch perfiden Geschäftssinns werden, und für einen Augenblick ließ Caterina sich von ihr anstecken. Ihre Hand glitt durch einen Schlitz ihres seidenen Obergewands, welches weit genug fiel, um den Dolch zu verbergen, den sie an einem schmalen Gürtel darunter trug. Schnell zog sie die Hand wieder zurück und schalt sich eine Närrin. Arnoldo Caetani und etliche andere, darunter auch ihre Söldner und Offiziere, wussten, wo sie sich befand, und würden eine mögliche Entführung nicht ungerächt lassen.
2.
D er Weg führte durch enge Gassen und über Dutzende schmaler Brücken tiefer in die Stadt hinein bis zu einem schmalen Gebäude, dessen Arkadengang nicht im Innenhof, sondern außen verlief. Das Haus hatte zwar große Fenster, wirkte ansonsten aber schmucklos und ein wenig ungepflegt. Selbst das Tor war ohne jede Verzierung, und die Knechte, die es nun öffneten, trugen die gleiche schlichte, dunkle Kleidung wie ihre Begleiter. Iacopo Appiano und der Herzog von Molterossa hätten sich geschämt, ihre Bediensteten in Gewändern herumlaufen zu lassen, die selbst von armen Bürgern ihrer Städte verschmäht worden wären. Caterina beschlich der Verdacht, der sagenhafte Reichtum Venedigs sei nur ein Märchen, das alte Frauen Kindern vor dem Schlafengehen erzählten, und das Innere des Gebäudes schien diese Erkenntnis zunächst zu bestätigen.
Die Wände waren sauber verputzt und gekalkt, aber bis auf einzelne Teppiche hie und da trugen sie keinen Schmuck. Als sie in die Gemächer der Dogessa geführt wurden, sah Caterina die ersten Bilder. Ein mannshohes Gemälde zeigte den Evangelisten Markus, den sagenhaften Begründer der Lagunenstadt. Rechts neben dem Heiligen hing die Darstellung eines Mannes mit einem eher mürrischen Gesichtsausdruck in dunkler Kleidung und links das Bildnis einer Frau mittleren Alters, die ebenfalls ganz in Schwarz gekleidet war und eine einfache, wenn auch mit Pelz verbrämte Haube trug. Auffällig waren nur die Zahl der Ringe an den Fingern der Dame und die breite, mit Halbedelsteinen besetzte Kette um ihren Hals.
Gleich darauf entdeckte Caterina das lebendige, aber um mehrere Jahrzehnte gealterte Ebenbild der Dame. Da sie annahm, die Gemahlin des Dogen vor sich zu sehen, knickste sie vor ihr. Bianca tat es ihr gleich, während Malle im Hintergrund stehen blieb und sich fragte, weshalb die Dogessa in einem so kleinen, schmucklosen Häuschen wohnte.
»Einen schönen guten Morgen, Signorine.« Die Stimme der Dogessa klang ein wenig müde, aber angenehm, und als sie zu Caterina aufsah, lag sogar ein Lächeln auf ihren Lippen.
»Buon giorno, Eure Hoheit.« Jetzt entsann Caterina sich ihrer guten Umfangsformen, auf die sie bei San Marco keinen Wert gelegt hatte.
Die Dogessa hob beschwichtigend die Hand. »Sagt einfach Signora zu mir, das reicht. Ich bin nicht der Doge selbst, sondern nur sein Weib.« Sie musterte Caterina und bat ihre Gäste, sich zu setzen. Ein Dienstmädchen brachte Konfekt und Wein.
»Bedient Euch, Signorine«, forderte die Dogessa Caterina und Bianca auf. Bianca überflog die aufgetischten Naschereien und wählte sich ihr Lieblingskonfekt aus, während Caterina aufs Geratewohl zugriff und neben der Süße ein fremdartiges, aber sehr angenehm schmeckendes Gewürz auf der Zunge spürte.
»Eure Hoheit sind sehr gütig«, antwortete sie, als sie die Köstlichkeit hinuntergeschluckt hatte.
In der Hoffnung, die Dogessa könne sich als Verbündete erweisen, trat Caterina der Dame mit all der Höflichkeit gegenüber, die sie aufzubringen vermochte. Dabei war sie froh, dass Bianca sie begleitete, denn die Freundin brachte das Gespräch mit ein paar munteren Bemerkungen und viel Lob über die Lagunenstadt in Gang. Auch Caterina pries Venedig und seine Bauten, von denen sie alle bis auf zwei bisher nur von außen gesehen hatte und in Wirklichkeit alles andere als angetan war. Aber um des Geldes willen, das sie nach dem Ausfall Pisas benötigte, war sie auch bereit, Begeisterung zu heucheln.
Die Dogessa aß ebenfalls ein Stückchen Konfekt und nippte von ihrem Wein. Caterina verspürte Durst und trank zuerst ungeniert. Als sie merkte, wie ein leichter Schwindel sie
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