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Die Löwin

Die Löwin

Titel: Die Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ehrlichen Krieg. Dann dachte sie an die Männer, die im Kampf ihr Leben hätten verlieren können, und fühlte die Last von sich abfallen, die während des Marsches ihre Schultern niedergedrückt hatte.

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    Fünfter Teil
  
    Schach der Dame
    1.
    D ie Sonne brannte vom Himmel, und da sich kein Lüftchen regte, war der Gestank, der vom Wasser hochstieg, kaum zu ertragen. Nun bedauerte Caterina, sich nicht mit einem parfümgetränkten Tüchlein gegen diese wohl unangenehmste Seite der Lagunenstadt gewappnet zu haben. Sie atmete so flach wie möglich, musste sich aber trotzdem zwingen, nicht nach jedem dritten Atemzug auszuspucken, denn in ihrem Mund machte sich ein Geschmack breit, als hätte sie die Gosse ausgeleckt. Sie versuchte sich abzulenken, indem sie den Schiffen und Kähnen zusah, die in scheinbar wirrem Durcheinander den Canal Grande befuhren. Da und dort bogen einige in andere Kanäle ab, aus denen sich gleichzeitig ein steter Strom neuer Boote in den Hauptkanal ergoss.
    Venedig war mit keiner der Städte zu vergleichen, die Caterina bis dahin kennen gelernt hatte, und all die Vorstellungen, mit denen sie hierher gekommen war, hatten sich vor der Wirklichkeit verflüchtigt. Die Fürstin der Adria war ebenso einmalig wie der Gestank der Kanäle, die hier den größten Teil der Straßen ersetzten. Ihr Blick fiel auf eine Barke, die mit Gemüse vom Festland beladen vor ihnen herschaukelte. Darauf stapelten sich Zwiebeln und Kohl in kühnen Pyramiden, und Caterina wunderte sich, dass der Kahn nicht die Hälfte seiner Ladung unterwegs verlor. Ein anderes Boot brachte eine Herde lebendiger Schafe in die Stadt, die sich ängstlich blökend aneinander drückten, und auch die meisten anderen Prähme waren mit all jenen Dingen beladen, die die Menschen zum täglichen Leben benötigten. Es glich einem Wunder, dass die Stadt mitten im Wasser ihre mehr als einhunderttausend Menschen ernähren und beherbergen konnte, denn jedes Getreidekorn und jede Fleischfaser mussten per Schiff herangeschafft werden, und dazu alles, was an Kleidung, Hausrat, Werkzeugen und anderen Dingen benötigt wurde, einschließlich jener Luxusgüter, die die Bequemlichkeit der Wohlhabenden sicherten.
    »Vermaledeiter Hund!« Der wütende Ruf ihres Schiffers riss sie aus diesen Gedanken. Sie blickte hoch und sah ein anderes Boot direkt auf sie zukommen. Zwei Ruderer standen am Heck und forderten ihren Bootsführer mit lauten Stimmen auf, ihnen Platz zu machen. Obwohl Caterina die Sprache ihrer Mutter inzwischen in allen Nuancen beherrschte, verstand sie kaum ein Wort des hier gesprochenen Dialekts, und im Augenblick legte sie auch gar keinen Wert darauf, denn das wenige, was sie von den Beschimpfungen der Bootsführer zu verstehen glaubte, trieb ihr trotz einer gewissen Abhärtung durch das Leben unter Söldnern die Schamröte ins Gesicht. Ihr eigener Schiffer schien eine Vorliebe für Seuchen an intimen Stellen zu haben, und wohl deswegen gingen ihm die Flüche schneller aus als den anderen.
    Als er bemerkte, dass er bei dem Wortgefecht mit zwei Gegnern den Kürzeren zog, plusterte er sich mit seiner Wichtigkeit auf. »Ich bringe Gäste zum Hause des ehrwürdigen Dogen Antonio Venier!«
    »Gäste für Venier?« Einer der drei Passagiere des anderen Bootes, ein älterer Mann, der wie seine Gefährten mit einem schlichten schwarzen, alles verhüllenden Mantel und einer ebenfalls schwarzen Kappe bekleidet war, winkte seinen Schiffern zu schweigen und verbeugte sich in Caterinas Richtung. »Seid Ihr die Signorina di Monte Elde?«
    Caterina nickte knapp und warf Malle einen auffordernden Blick zu. Ihre Dienerin sah es und warf sich in die Brust. »Wer seid Ihr, Signore, dass Ihr es wagt, meine Herrin auf der Straße, äh … auf dem Kanal anzusprechen, als wäre sie eines der Weiber, deren Bezeichnung man nicht in den Mund nimmt?«
    Bevor der Mann antworten konnte, mischte sich einer seiner Gefährten ein. »Wir sind ehrenwerte Bürger Venedigs und haben die Dame gewiss nicht beleidigen wollen!« Auch er verneigte sich in Caterinas Richtung und wies dann seine Bootsleute an, den Weg freizugeben.
    »Besonders höflich scheint man hier in Venedig nicht zu sein!« Bianca machte keinen Hehl daraus, dass sie einen anderen Empfang erwartet hatte. Der Steuerer des eigenen Bootes erklärte ihr lang und breit, dass die Herren, die die Dame angesprochen hätten, Notare der Stadtverwaltung seien, welche sich auf dem Weg zum Rialto befänden, um über die

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