Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Löwin

Die Löwin

Titel: Die Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
adeligen Gäste und ihre Begleiter zu einem niederrangigen Mitglied der Familie da Polenta, einem jungen Mann, der sich freute, eine entfernte Cousine begrüßen zu dürfen, und sie im Gästehaus der Familie unterbrachte. Auf dem Weg dorthin gestand er Caterina in vielen blumigen Worten, dass sein Oheim sich weigere, sie zu empfangen. Der hiesige Familienälteste könne es sich nicht leisten, den Zorn des Herzogs Gian Galeazzo zu erregen, indem er die Capitana einer feindlichen Kompanie zu Gast lud. Caterina kränkte es ein wenig, auch von diesem Mitglied ihrer mütterlichen Familie wie ein schwarzes Schaf behandelt zu werden, und stellte sich darauf ein, die Stadt trotz Malles Schwäche am nächsten Tag verlassen zu müssen. Doch als man ihr und ihren Begleitern ein ausgezeichnetes Mahl auftischte, war sie etwas versöhnt. Der Wein war ebenfalls von bester Qualität, und daher nahm sie an, dass sie nicht ganz so unerwünscht war, wie sie zunächst angenommen hatte.
    Kurz nach dem Essen erschien ein Lakai, der sie zu ihrer Überraschung bat, ihn zu ihrem Gastgeber zu begleiten. Neugierig geworden folgte sie dem Diener zu Obizzo da Polenta, der nicht nur das nominelle Oberhaupt der Familie, sondern zurzeit auch der Capitano del Popolo der Stadt Ravenna war. Der Weg führte durch einsame, schmucklose Gänge, die wie geschaffen für Heimlichkeiten schienen und an einer unauffälligen Tür endeten, welche sich in ein prunkvoll geschmücktes Zimmer öffnete. Das einzige Möbelstück in dem Raum war ein mit Gold überzogener Thron, auf dem ihr Verwandter saß. In seinem voluminösen, mit Edelsteinen und Stickereien überladenen Wams aus rotem und goldenem Brokat, aus dem der kahle Kopf gerade eben noch hervorragte, wirkte Obizzo auf Caterina wie eine übergroße Nacktschnecke mit Armen. Seine Hände steckten in roten Samthandschuhen, über denen doppelt so viele Ringe glitzerten, als er Finger hatte. »Buon giorno, liebste Kusine! Willkommen in Ravenna.«
    Seine Stimme klang übertrieben gedrechselt, und er sprach die Worte so gedehnt, als wolle er mit jedem einzelnen seinen Rang und seinen Stand betonen. Caterina unterdrückte ein spöttisches Lächeln und sank in einen Knicks, der ehrerbietig genug war, um ihm zu schmeicheln. Dabei war er ihr auf Anhieb herzlich unsympathisch. Sie hatte seinen Bruder Bernardino in Rividello kennen gelernt und diesen schon für einen unangenehmen Menschen gehalten, aber der Stadtkern von Ravenna übertraf noch den schlechten Eindruck, den jener auf sie gemacht hatte.
    Sie antwortete so freundlich, wie es ihr möglich war. »Gott zum Gruße, lieber Vetter. Ich danke Euch für diesen herzlichen Empfang und für die Gastfreundschaft, die Ihr mir und meiner Begleitung zuteil werden lasst.«
    Obizzo betrachtete Caterina, als hätte er eine Stute vor sich, die ihm auf einem Pferdemarkt angeboten wurde. »Bedauerlich, wirklich bedauerlich!«
    »Wie bitte?«, fragte Caterina konsterniert.
    »Ich finde es beklagenswert, dass Ihr nicht die einzige Nachkommin Eures Oheims, des Marchese Olivaldi, seid und daher nicht seinen Titel erben werdet. Sonst hätte ich Euch geheiratet, um die beiden Häuser der da Polenta wieder zu vereinigen.«
    Er sagte das so bestimmt, als setze er Caterinas Einwilligung voraus beziehungsweise halte sie gar nicht für notwendig.
    Caterina versuchte, nicht zu zeigen, wie schockiert sie war. Obizzo war nämlich bereits verheiratet und würde eine neue Ehe erst nach dem Tod seiner Gemahlin schließen können. Der Gedanke, dass ihr Auftauchen in Ravenna beinahe das Ableben einer ihr unbekannten Frau zur Folge gehabt hätte, trieb ihr Schauer über den Rücken, und sie musste alle Kraft aufbieten, um ihrem Verwandten nicht ins Gesicht zu schreien, was sie von ihm hielt.
    »Wie Ihr bereits sagtet, bin nicht ich die Erbin des Titels, sondern ein Nachkomme meines Oheims Luciano. Das ist nun einmal vom Himmel so bestimmt. Ich bitte Euch, mich nun zu entschuldigen. Die Reise war sehr anstrengend und ich fühle mich erschöpft.«
    Obizzo da Polenta entließ sie mit einer unwirschen Geste. Sofort trat der Lakai vor, der sie hierher begleitet hatte, verbeugte sich vor ihr und bat sie höflich, ihm wieder zu folgen. Mit scheinbar gleichmütiger Miene ließ sie sich zu ihrem Zimmer führen und erlaubte sich erst ein tiefes Aufatmen, nachdem die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte. Sie hatte jedoch keine Zeit, sich mit dem Erlebten zu beschäftigen, denn Malle lag kreidebleich auf dem

Weitere Kostenlose Bücher