Die Löwin
Gleichzeitig aber war ihm klar, dass ihm nichts anderes übrig bleiben würde, als gute Miene zu Borellis Vorschlag zu machen. »Also gut! Ihr erhaltet den Marschbefehl. Aber ihr werdet die Tedesca nicht anrühren, verstanden! Ich will der Erste sein, der Rache an ihr nimmt.«
Borelli nickte eifrig, doch Ranuccio las in dem scheinbar gleichmütigen Gesichtsausdruck seines Vetters, dass dieser den Befehl seines Capitano zu missachten gewillt war. Der ehemalige Banditenhäuptling hingegen dachte an eine andere Frau und leckte sich voller Vorfreude die Lippen. Mit Bianca, die die Capitana begleitete, hatte er noch ein sehr großes Hühnchen zu rupfen.
7.
R odolfo hatte wie ein guter Jagdhund die Spur aufgenommen und folgte ihr hartnäckig. Nachdem er erfahren hatte, dass Borelli und Ranuccio die Mörder von Caterinas Vater waren, gönnte er sich kaum Ruhe, sondern querte die Romagna und die östliche Lombardei so schnell, wie er es den Pferden zumuten konnte, um an den Ort zu gelangen, an dem die Gesuchten sich seines Wissens nach zuletzt aufgehalten hatten. Ugolino Malatesta hatte sein Söldnerlager beim Städtchen Asola auf halbem Weg zwischen Mantua und Cremona aufgeschlagen. Es war dem Condottiere zwar gelungen, die bei Rividello erlittenen Verluste auszugleichen, doch er hatte Gian Galeazzo Viscontis Vertrauen verloren und wurde mit keiner Aufgabe mehr betraut, bei der Ruhm und Beute winkten.
Da Rodolfo den brennenden Ehrgeiz kannte, von dem Fabrizio Borelli zerfressen wurde, würde dieser einen Weg suchen, Ugolino Malatestas Kompanie zu verlassen und in die Dienste eines anderen, erfolgreicheren Condottiere zu treten. Wenn er nicht wochen- und monatelang nach Caterinas Vetter suchen wollte, musste er den Mann stellen, solange er noch in Malatestas Diensten stand.
Als er das Stadttor von Asola erreichte, blickte ihm ein einzelner Wächter gelangweilt entgegen.
»Wenn ihr zum Söldnerlager wollt, müsst ihr dort vorne links abbiegen.« Offensichtlich hielt er Rodolfo und dessen Männer für Söldner, die einen neuen Condottiere suchten, und erzählte ihnen auch sofort, was es Neues gab. »Wenn ihr Signore Ugolino sucht, seid ihr vergeblich gekommen, denn der ist gestern nach Mailand aufgebrochen.«
Da Rodolfo weniger an Malatesta gelegen war als an Monte Eldes Mörder, quittierte er diese Nachricht mit einem Achselzucken. »Ich suche einen von seinen Offizieren, einen Mann namens Fabrizio Borelli. Vielleicht kennst du ihn, er ist der Neffe des Francesco di Monte Elde.«
»Vom Eisernen Francesco habe ich natürlich gehört, aber dass er einen Neffen hat, wusste ich nicht …« Der Torwächter fasste sich an den Kopf, als erleichtere ihm die Geste das Nachdenken. »Ah! Jetzt weiß ich, wen Ihr meint. Der hat das Lager zusammen mit Malatesta verlassen!«
Rodolfo nahm an, dass Borelli und Malatesta gemeinsam nach Mailand unterwegs waren, um neue Befehle einzuholen. Für einen Augenblick wollte er schon sein Pferd wenden, um ihnen nachzureiten, aber dann sah er ein, dass die Tiere und auch seine Männer zu erschöpft waren. So entschloss er sich schweren Herzens, die Nacht in der Stadt zu verbringen und den Gesuchten am nächsten Morgen zu folgen.
»Wenn das so ist, können wir genauso gut in der Stadt unterkommen. Kannst du uns eine gute Herberge nennen?«
Der Mann nickte eifrig. »Da gibt es mehrere, aber die wollen alle gutes Geld sehen. Für Gottes Lohn gibt hier keiner Speise oder Unterkunft.«
Rodolfo klopfte auf den Beutel an seinem Gürtel. »Für eine Übernachtung und ein Mahl wird es noch reichen. Hier, trink einen Schluck auf meine Gesundheit!«
Er schnellte eine Münze durch die Luft, die der Torwächter geschickt auffing, und lenkte sein Pferd durch die Leute, die das Tor passierten und ihm und seinen Männern teils ängstliche, teils ablehnende Blicke zuwarfen. Der Wächter am Tor hatte nicht zu viel versprochen, denn sie fanden eine ausgezeichnete Herberge, die nicht zu teuer war. Der Wein, der dort aus dem Spundloch lief, war süffig, und das Essen schmeichelte der Zunge, wie Rodolfo es schon lange nicht mehr erlebt hatte. Es war angenehm, einmal nicht in Kriegslagern oder einfachen Tavernen übernachten zu müssen, sondern als geehrter Gast umsorgt zu werden.
Auch Tino, der gefangene Räuber, hatte sich inzwischen mit seinem Schicksal abgefunden. »So könnte es von mir aus ruhig weitergehen«, erklärte er Gaetano, während er ein Hühnerbein abnagte.
»Nicht für dich, denn wir werden
Weitere Kostenlose Bücher