Die Löwin
Höllenteufeln, nein! Was denkt der Herzog sich? Er weiß doch, wie sehr ich mich danach sehne, die Eiserne Kompanie mit eigener Hand zu zerschmettern! Ich denke nicht daran, mich zu einem Knecht dieses aufgeblasenen Kerls machen zu lassen, der zufällig mit mir verwandt ist.« Malatesta brüllte seine Wut und seine Überraschung so laut hinaus, dass selbst draußen vor dem Lagertor noch hartgesottene Söldner zusammenzuckten.
»Mir gefallen die Befehle meines Vetters auch nicht. Mich hat der Herzog zum Steuereintreiber von Molterossa ernannt und mir befohlen, ihm umgehend jeden Danaro, den ich herauspressen kann, zukommen zu lassen. Wie es aussieht, will er tatsächlich einen Malatesta als neuen Herzog von Molterossa einsetzen, aber das werdet nicht Ihr sein!« Angelo Maria Visconti vergaß seine Würde, stürzte den Becher Wein hinunter und schleuderte das leere Gefäß gegen die Zeltwand. Der Wille, seinem mächtigen Vetter ein Schnippchen zu schlagen und doch noch als Sieger dazustehen, zeichnete sich nun auf seinem Gesicht ab. Doch als er sich Malatesta zuwandte und ihn an der Hemdbrust packte, drückte diese Geste Verzweiflung aus. »Glaubt Ihr, dass die hier versammelten Truppen ausreichen, Molterossa einzunehmen?«
Ugolino Malatesta brauchte eine Weile, bis er begriff, worauf Messer Angelo Maria hinauswollte, dann grinste er über das ganze Gesicht. »Wir verfügen über mehr als doppelt so viele Krieger wie Arnoldo Caetani und erhalten noch weitere zweihundert Lanzen als Verstärkung. Der Marchese Olivaldi hat nämlich die Ankunft seiner gesamten Truppen unter dem Befehl seines Capitano-Generals d’Abbati angekündigt.«
Angelo Maria Visconti nickte zufrieden. »Ein Heer dieser Stärke wird wohl ausreichen, meinen erhabenen Vetter von diesem Ärgernis zu befreien, zumal wir alle ein Recht darauf haben, Rache zu üben. War es nicht die Ankunft der Capitana der Eisernen Kompanie, mit der unser Unglück begann?«
5.
D ie Nacht war lau und der Mond stand als breite goldene Sichel an einem sternenübersäten Himmel. Fledermäuse flatterten durch die Luft, in Wiesen und Gebüsch tanzten Glühwürmchen wie feurige Punkte und ein sanfter Wind ließ die Gräser sich wiegen. Es war ein friedliches Bild, das der Garten des Schlosses von Molterossa bot, gerade wie ein Stück vom Paradies. Rings um das kleine Herzogtum aber türmten sich Wolken auf, die die Ankunft der Hölle verkündeten.
Bianca hatte nur an die Tür treten und ein wenig Luft schnappen wollen. Nun konnte sie der Verlockung der angenehmen Düfte nicht widerstehen, die ihr von all den Blüten zuwehten, und sie trat ins Freie. Sie war nur mit ihrem Nachthemd bekleidet und hatte ein leichtes Tuch um die Schultern geschlagen. Durch die Sohlen der dünnen Pantöffelchen spürte sie die kleinen Steine, die den Weg deckten und im Mondlicht wie Silber glänzten.
Ein unerwartetes Geräusch ließ sie zusammenzucken, doch als sie sich umsah, entspannte sie sich wieder, denn sie entdeckte Botho Trefflich, der ihr gefolgt war. Der Mond beschien sein Gesicht und so konnte sie die sich darauf abmalende Verzweiflung erkennen.
»Verzeiht, Herrin, aber ich muss mit Euch sprechen.«
»Wolltet Ihr etwa an mein Schlafzimmer klopfen, Signore?« Der spöttische Klang in Biancas Stimme ließ den jungen Mann sichtlich schrumpfen.
»Nein, Herrin! Ich weiß doch, dass Ihr jeden Abend für ein paar Augenblicke durch den Garten geht, und habe auf Euch gewartet.«
Bianca hatte bisher nicht bemerkt, dass Botho sie schon länger beobachtete, und ärgerte sich darüber. Im ersten Impuls wollte sie sich umdrehen und ohne ein weiteres Wort in ihre Kammer zurückkehren. Da aber stand er schon neben ihr und hielt sie an einem Zipfel ihres Schultertuchs fest.
»Herrin, ich ertrage es nicht länger, Euch in Gefahr zu sehen! Wenn Malatesta und dieser verrückte Borelli Molterossa erobern, werden sie Euch Schreckliches antun.«
»Ihr glaubt doch nicht, dass ich diesen Schuften noch einmal lebend in die Hände fallen werde.« In dem Augenblick war Bianca ganz die Nachkommin großer italienischer und römischer Geschlechter, die ihre Ehre stets höher geachtet hatten als den Tod.
Ihre Worte entsetzten Botho. »Nein! Ihr dürft nicht sterben! Das könnte ich nicht ertragen.« Er fiel vor ihr auf die Knie und fasste nach ihren Händen. »Herrin, noch ist es nicht zu spät, dem Unheil zu entfliehen. Ich habe ein wenig Geld und kann schnelle Pferde besorgen. Zwei oder drei Männer
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