Die Löwin
Zweifel. Im Hochgefühl künftiger Glorie winkte er einer Gruppe seiner Ritter zu, die ihre Pferde bewegten. »Bald reitet ihr nicht mehr nur spazieren, Kameraden!«
»Das wäre gut! Langsam wird es hier langweilig!«, antworteten einige fröhlich.
Malatesta nickte ihnen vielsagend zu und kehrte zu dem Zelt zurück, das er sich kürzlich hatte anfertigen lassen. Es bestand aus weißem Leinen und war mit goldenen Stickereien verziert, die in der Sonne weithin leuchteten. Vor allem aber war es sehr geräumig und gab ihm die Möglichkeit, mehr Söldnerführer darin zu empfangen als jeder andere Feldherr in Mailands Diensten. Als er es betrat, eilte ein Diener herbei und reichte ihm einen silbernen Becher mit gutem Falerner Wein. Malatesta schloss für einen Moment die Augen und stellte sich vor, er hätte den Empfangssaal seiner Residenz in Florenz betreten und erwarte die Vertreter der noblen Familien und die Botschafter anderer Städte, die ihm ihre Ehrerbietung erweisen wollten. Doch es waren nur Borelli, Aniballi und Hawkwood, die hinter ihm eintraten und sich von dem Diener ihre Becher füllen ließen.
Malatesta nickte ihnen leicht von oben herab zu. Noch zählten weder er noch Hawkwood zu den wirklich einflussreichen Feldherren um Gian Galeazzo Visconti, aber die beiden anderen Condottieri waren ihm unterstellt und nicht dem Bastard eines Engländers. Daher würde er in den engsten Kreis um den Herzog aufsteigen. Dazu musste dieser Feldzug jedoch ein Erfolg werden und den missglückten Marsch auf Rividello vergessen machen.
Ganz im Bann einer glänzenden Zukunft hob er seinen Becher. »Auf euer Wohl, Signori, und auf unseren Sieg!«
Hawkwood und Aniballi tranken ihm zu, Borelli aber spie aus, als hätte man ihm Galle in den Wein getan.
»Diesmal wird uns die Tedesca nicht mehr entkommen! Ich schwöre bei meiner Seele und der meiner Mutter, dass dieser Weibsteufel den Tag seiner Geburt verfluchen wird, bevor ich mit ihm fertig bin! Und danach schneide ich dem Miststück eigenhändig die Kehle durch und …«
»… trinke ihr Blut!«, ergänzte Aniballi ihn lachend. »Mein lieber Borelli, kannst du noch an etwas anderes denken? Diese Worte hast du in den letzten beiden Jahren schon so oft wiederholt, dass ich sie im Schlaf herbeten kann!«
Borelli stampfte auf und deutete mit der Linken auf sein von einer wulstigen Narbe verunstaltetes Gesicht und die Binde aus grünem Stoff, die seine leere Augenhöhle bedeckte. »Wie würdest du daherreden, wenn dich das Miststück so verunstaltet hätte wie mich? Jede Frau wendet sich vor mir mit Grausen – und die Huren, die für Geld die perversesten Dienste leisten, bedecken ihre Augen, wenn ich sie besteige.«
»Leg dir ein Bauernmädchen als Geliebte zu, behandle es gut und sei großzügig! Dann wird die Frau sich aufführen, als wärest du Adonis persönlich.« Hawkwood verstand die Probleme seines Kameraden nicht. Er selbst war alles andere als ein gut aussehender Mann, doch trotz seines knochigen Gesichts und seiner vorstehenden Zähne hatte es ihm nie an willigen Frauen gemangelt. Seiner Meinung nach verschreckte sein Kamerad das weibliche Geschlecht weniger mit seinem Aussehen als mit seinem unbeherrschten Wesen und der Brutalität, mit der er zu Werke ging. Für Borelli schien jede Frau eine Caterina di Monte Elde zu sein, an der er seinen Hass austoben wollte.
»Hawkwood hat Recht! Ihr solltet Euch eine Amica zulegen. Ein Mann braucht eine Frau, der er zwischen die Schenkel steigen kann, ohne den Gestank der Kerle in die Nase zu bekommen, die sie vor ihm besprungen haben. Eine Hure ist etwas für einen Lanzenknecht, vielleicht noch für einen Knappen. Ein Ritter aber sollte solche Weiber nicht einmal anrühren, geschweige denn sich auf sie legen.« Im Grunde seines Herzens interessierte es Malatesta nicht, wie Borelli mit Frauen umging, aber er nutzte jede Gelegenheit, sich als fürsorglicher und weiser Anführer in Szene zu setzen.
»Wollen wir über Bauernmägde und Huren reden oder über den geplanten Feldzug gegen Molterossa?« Borellis Stimme klang seit seiner Verletzung heiser und geradezu bellend, wenn er sich ärgerte. Malatesta schien nicht zu begreifen, dass es ihm nicht um ein paar willige Schenkel im Bett ging, sondern um eine Ehefrau, die zu seinem weiteren Aufstieg beitragen konnte. Seine Entstellung aber schreckte jede Erbin ab, und solange er nicht als der Capitano einer beeindruckend großen Kompanie auftreten konnte, fand er auch keinen
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