Die Löwin
Angelo Maria Visconti.
Herzog Gian Galeazzos Verwandter war prachtvoll, aber völlig unkriegerisch gekleidet, als wolle er betonen, dass er mit dem militärischen Teil des Unternehmens nichts zu tun hatte. Zugleich tat sein Auftreten kund, dass er weit über jedem anderen Mann in diesem Lager einschließlich Malatestas stand. Als Capitano-General hatte dieser sich als unumschränkter Befehlshaber gesehen und empfand nun eine Wut auf den Neuankömmling, die nur noch von seinem Neid übertroffen wurde, den der Anblick des samtenen Tapperts in den Farben der Visconti ebenso in ihm aufsteigen ließ wie die zweifarbigen Hosen, die sich so eng an Messer Angelos Beine schmiegten, als wären sie daran festgeklebt. Battista Legrelli trug zwar ebenfalls teure Gewandung, wirkte aber in seinem ockerfarbenen Wams und den grünen Hosen altmodisch und unbedeutend.
Die beiden Herren hielten ihre Pferde erst dicht vor Malatestas Zelt an, warteten, bis Knechte herbeieilten und die Zügel entgegennahmen, und stiegen dann möglichst würdevoll ab, während ihre Eskorte sich auf dem Vorplatz wie ein Schutzwall formierte.
Malatesta blieb steif stehen, bis Angelo Maria Visconti sich seinem Zelt bis auf zwei Schritte genähert hatte, und trat dann auf ihn zu. »Willkommen in meinem Kriegslager, Messer Angelo.« Seine Verbeugung fiel beleidigend knapp aus.
Visconti, in dessen Gesicht sich in den letzten drei Jahren mehrere tiefe Falten gegraben hatten, nickte ihm herablassend zu. »Buon giorno, Capitano. Ich hoffe, Ihr und Eure Leute seit bei besten Kräften und begierig auf die nächste Schlacht. Mein allerdurchlauchtigster Vetter wünscht nämlich die Laus, die hier in seinem Pelz sitzt, geknackt zu sehen.«
»Also geht es endlich los!« Borelli drängte sich vor, fasste Messer Angelo Maria bei der Schulter und zwang seinem zernarbten Gesicht einen Ausdruck auf, der wohl einem Lächeln gleichen sollte. »Ihr wisst gar nicht, wie sehr wir diesen Augenblick herbeigesehnt haben!«
Verärgert über die Berührung, die in seinen Augen nur Familienmitgliedern und besten Freunden gestattet war, wich Visconti einen Schritt zurück und starrte den Condottiere grimmig an. Rasch musste er den Kopf abwenden, denn den flackernden, hasserfüllten Blick seines Gegenübers konnte er nicht ertragen. Am liebsten hätte er Borelli zum Teufel gejagt, denn dieser Mann war schuld daran, dass seine Hoffnungen auf einen der hochrangigsten Posten im Herzogtum der Lombardei zerronnen waren. Ohne jenen dummen Mord an Francesco di Monte Elde und dessen Sohn, den Borelli angestiftet hatte, wäre er bei seinem erlauchten Vetter nicht in Ungnade gefallen.
Legrelli schien ähnlich zu empfinden, er maß Borelli mit einem Blick, dem man sonst einer Küchenschabe schenkt, schritt dann an ihm vorbei, als wäre der Mann für ihn Luft, und wandte sich seinem alten Freund zu. »Buon giorno, Signore Hawkwood. Ich freue mich, Euch wiederzusehen.«
Dann schien ihm aufzufallen, dass er Malatesta übergangen hatte und dieser beleidigt sein könnte, und wandte sich ihm mit einem freudlosen Lächeln zu. »Auch Euch meinen Gruß, Capitano! Wir kennen uns ja noch nicht so gut, aber auf diesem Feldzug werden wir gewiss Gelegenheit finden, unsere Bekanntschaft zu vertiefen.«
Malatesta antwortete mit einem knappen Nicken und befahl seinem Diener, frischen Wein herbeizuschaffen. »Diese Gegend bringt gute Reben hervor, und die Leute behaupten, die besten würden an den Hängen von Molterossa wachsen. Es gelüstet mich, von dem Trunk zu kosten, der dort gekeltert wird.«
Man konnte sehen, wie wenig sich Messer Angelo Maria für Wein interessierte, denn er bewegte unwillig seine Schultern. »Dazu werdet Ihr sehr bald Gelegenheit finden, Signore Ugolino. Mein Vetter will diese Angelegenheit so schnell wie möglich geregelt sehen, die hier gebundenen Truppen fehlen ihm nämlich beim Vormarsch auf Florenz.«
Trotz aller sorgsam eingeübten Höflichkeit klang die Stimme des Visconti mürrisch und unzufrieden, und Malatesta fragte sich, welcher Ärger in der Luft liegen mochte.
Angelo Maria fletschte für einen Augenblick die Zähne, setzte aber sofort wieder die gleichmütige Miene eines über alles erhabenen Mannes auf. »Mein Vetter erteilt Euch den Befehl, Euch mit Euren Leuten für den Angriff bereit zu machen, aber mit dem Vormarsch zu warten, bis Euer Vetter Pandolfo mit seinen Lanzen zu uns stößt und das Kommando als Capitano-General übernimmt.«
»Bei allen
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