Die Löwin
immer noch wie ein Schatten zwischen ihnen.
Olivaldi ließ sich nichts anmerken. Er stieg von seinem Pferd und schloss den Herzog in die Arme. Für einige Augenblicke blieben sie still, dann sah Olivaldi sich noch einmal um und fragte: »Was ist mit Eurem Neffen Amadeo? Ich sehe ihn nirgends. Er ist doch hoffentlich nicht schwer verletzt?«
Der Herzog senkte den Blick. »Amadeo starb als Held bei der Verteidigung meiner Stadt. Ohne ihn hätte der Feind das Tor gewonnen.«
»Das tut mir leid.« Der Blick, mit dem der Marchese Rodolfo streifte, verriet jedoch, dass ihm Amadeos Tod nicht besonders nahe ging. Er trat auf den jungen Mann zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Diese Nachricht betrübt mich, denn nun werdet Ihr meine Dienste verlassen müssen, um Eurem Oheim beizustehen. Ich hoffe, Ihr erlaubt dem wackeren Dorati, weiterhin bei mir zu bleiben. Ich würde ungern zwei gute Männer auf einmal verlieren.«
Rodolfo sah, wie Mariano vor Freude errötete, und nickte. Für einen jungen Mann ohne besondere Verbindungen war es ein Glücksfall, einem Herrn wie Olivaldi aufzufallen, und diese Chance wollte er seinem Freund nicht verbauen. »Auf Mariano verzichten zu müssen ist für mich zwar ein herber Verlust, doch will ich Euch seiner nicht berauben.«
»Ich danke Euch!« Olivaldi klopfte Rodolfo zufrieden auf die Schulter und wandte sich wieder dem Herzog von Molterossa zu. »Es gibt Großes zu berichten, mein Freund. Der Schatten Mailands bedroht Euch nicht länger. Herzog Gian Galeazzo ist am dritten September gestorben und sein Erbe tritt ein Jüngling von vierzehn Jahren an, der mehr Freude an der Jagd und an ähnlichen Vergnügungen besitzt als daran, fremdes Land an sich zu bringen. Ich glaube nicht, dass er das Reich seines Vaters zusammenhalten kann. Viele der unterworfenen Städte werden danach streben, das Mailänder Joch abzuwerfen, und der Sinn etlicher Condottieri, die Gian Galeazzo treu gedient haben, steht wohl danach, selbst die Herren jener Städte zu werden.«
Rodolfo blickte den Marchese überrascht an. »Hat Pandolfo Malatesta aus diesem Grund darauf verzichtet, gegen Molterossa vorzugehen?«
Olivaldi lächelte böse. »Dessen bin ich mir sicher! Molterossa ist – Euer Oheim mag mir verzeihen – nur ein kleiner Flecken Land mit einem Städtchen ohne besondere Bedeutung. Messer Pandolfo wird daher zu der Überzeugung gelangt sein, dass eine der großen Städte der Lombardei seinem Ehrgeiz besser gerecht wird. Vielleicht ist er aber auch nach Mailand zurückgekehrt, um nach einer größeren Rolle im neuen Regentschaftsrat zu streben. Was immer auch seine Gründe sein mögen – diese Stadt hier wird so schnell niemand mehr bedrohen. Kommt nun, mein Freund, denn es gibt so einiges zwischen uns zu bereden.«
Olivaldi fasste den Herzog unter und zog ihn auf das Tor des Wohngebäudes zu. Arnoldo Caetani wechselte einen kurzen Blick mit seinem Neffen, winkte ihm mitzukommen und führte seinen Gast in seine privaten Räume. Dort befahl er den Dienern, eine Kanne vom besten Wein und drei Pokale zu bringen.
14.
C aterina blieb in ihrem Zimmer, bis Dämmerlicht sie umgab und sie die Wände nur noch schemenhaft erkennen konnte. Es hätte sie nur ein Wort gekostet, eine Dienerin zu rufen, die die Kerzen auf dem silbernen Ständer angezündet hätte, doch sie vergrub sich in sich selbst und wollte ihre Umgebung nicht zur Kenntnis nehmen. Zwar hatte sie gewusst, dass Rodolfo in den Diensten ihres Großvaters stand, doch sie hätte nie erwartet, den Marchese hier auftauchen zu sehen. Da sie keinesfalls bereit war, diesem Mann gegenüberzutreten, beschloss sie, die Zeit seiner Anwesenheit in Molterossa in der strengen Klausur ihrer Kammer zu verbringen. Aus diesem Grund reagierte sie auch nicht auf das leise Klopfen an ihrer Tür, das rasch drängender wurde.
»Caterina, ich bin es, Bianca!«, hörte sie ihre Freundin rufen.
»Die Tür ist offen!«
Das ließ Bianca sich nicht zweimal sagen. Sie glitt wie ein Schatten herein und fasste nach Caterinas Händen. »Der Herzog schickt mich. Er bittet dich in sein Zimmer.«
»Ich bleibe hier!« Caterina drehte den Kopf und starrte durch das Fenster, vor dem nichts mehr zu erkennen war.
Bianca lachte ärgerlich auf. »Bei Gott, hier kann man doch nicht mehr die Hand vor Augen sehen! He, bringt Licht für die Herrin!«
Einen Augenblick später huschte eine Dienerin mit einem brennenden Kienspan in den Raum und zündete die Kerzen an. Nun
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