Die Löwin
Capitano dicht unter dem Herrgott gestanden, und es machte sie zornig, dass Borelli die Rechte der Tochter ihres verehrten Hauptmanns so einfach hatte übergehen wollen. Einige der Schwaben stimmten sogar den alten Kampfruf »Eldenberg! Eldenberg!« an, der seit fast einem Jahrzehnt von dem Ruf »Monte Elde!« verdrängt worden war.
Borelli begriff, dass seine Chancen gesunken waren, sich gegen Steifnacken durchzusetzen, und trat zu den jungen Italienern, mit denen er sich eben noch gestritten hatte. »Das ist doch Unsinn! Was wollen wir mit einem Weib als Capitana? Soll sie uns vielleicht in schimmernder Wehr anführen? Das würde die Eiserne Kompanie zum Gespött von ganz Italien machen!«
»Einem Weib diene ich nicht!«, stieß Lanzelotto Aniballi mit dem Ausdruck höchsten Abscheus aus. Doch weder er noch die anderen jungen Herren waren bereit, sich auf Borellis Seite zu schlagen. Sie wechselten beredte Blicke, schienen die Aussichten der herrenlosen Kompanie und ihre eigenen abzuwägen und trennten sich wortlos. Auch die einfachen Söldner trollten sich in verschiedene Richtungen, als müssten sie die neue Situation im kleinen Kreis ausdiskutieren. Zuletzt blieben nur noch Steifnacken und Borelli übrig, die sich mit Blicken musterten, als wollten sie einander an die Kehle gehen, sich dann aber abrupt umdrehten und ebenfalls den Platz vor dem Zelt des ermordeten Capitano verließen.
Am nächsten Morgen wurde offenbar, dass die meisten der italienischen Offiziere in der Nacht zu dem Ergebnis gekommen waren, dass ihrem Fortkommen bei einem neuen Condottiere besser gedient sein würde als in diesem führerlosen Haufen, denn sie hatten sich mit einigen Dutzend romagnolischer Söldner über Nacht in die Büsche geschlagen und dabei neben ihren Pferden und Waffen auch etliches aus dem Bestand der Kompanie mitgehen lassen.
Als Borelli die Bescherung zur Kenntnis nehmen musste, fluchte er wüst und drohte jedem Deserteur die schlimmsten Strafen an. Hans Steifnacken aber nahm die veränderte Situation gelassen zur Kenntnis und sorgte erst einmal dafür, dass im Lager die Routine wieder Einzug erhielt.
13.
R odolfo d’Abbati lehnte mit dem Rücken an der dunkel getäfelten Wand, die ebenso düster wirkte wie die restliche Burg seines neuen Herrn, hatte die langen Beine übereinander geschlagen und betrachtete die vier Männer, die in der Mitte des Raumes erregt miteinander diskutierten. Nicht weit von ihm stand Battista Legrelli, der Podesta von Mentone, bekleidet mit einem neuen Rock aus blau gemustertem Brokat und einer reich mit Gold bestickten Mütze. Doch weder die prachtvolle Hülle noch die schweren Goldringe an seinen Händen, die mit erlesenen Edelsteinen besetzt waren, täuschten darüber hinweg, dass der Mann sich vor einem Abgrund stehen sah.
Der ältere Herr neben ihm war Leonello da Polenta, der Marchese Olivaldi, in dessen Dienste Rodolfo vor wenigen Tagen getreten war. Nicht sein Kriegsruhm war es gewesen, der Olivaldi dazu gebracht hatte, eine Condotta mit ihm abzuschließen, denn den genoss er ebenso wenig wie er mit besonderen Fähigkeiten aufwarten konnte, die ihn aus den anderen Condottieri heraushoben, sondern allein seine Verwandtschaft mit dem Herzog von Molterossa war der Grund. Diesen sah Herzog Gian Galeazzo von Mailand nicht zu Unrecht als den führenden Kopf der gegen ihn gerichteten Koalition in der Romagna und der Toskana an. Unter anderen Umständen hätte Olivaldi ebenfalls zu den Feinden Viscontis gezählt, denn er war einer der engsten Vertrauten Papst Urbans gewesen. Nun aber war er in eine Fehde mit einem Neffen des neuen Papstes Bonifatius verwickelt und hatte daher die Seiten gewechselt.
Für einen Augenblick dachte Rodolfo daran, dass ihn sein Onkel in Rom, dem er seinen Grafentitel zu verdanken hatte, gewiss nicht gerne in den Diensten der Gegner des Heiligen Stuhles sehen würde. Doch mit etwas anderem als dem päpstlichen Siegel unter einen Bogen Papier hatte der Verwandte ihm nicht weiterhelfen wollen, insbesondere nicht mit einem gut dotierten Vertrag als Condottiere. Da der Herzog von Molterossa als einer der treuesten Lehnsmänner des Kirchenstaats galt, hatte man ihn nicht erzürnen wollen, indem man den von ihm davongejagten Neffen in päpstliche Dienste nahm. Rodolfo bleckte unwillkürlich die Zähne, denn er erinnerte sich nur allzu gut an den Urheber des Zwistes, seinen Vetter Amadeo, dem es mit vielen Schmeicheleien gelungen war, ihn aus der Gunst seines Onkels
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