Die Löwin
erleben können. Auch die anderen Söldner duckten sich. Sie malten sich schon aus, wie Monte Eldes Tochter nach den Beleidigungen reagieren würde, und hatten Mitleid mit Bianca.
Borelli war ebenfalls auf Caterinas Antwort gespannt, die nur vernichtend ausfallen konnte, und rieb sich in heimlicher Vorfreude die Hände. Aber gerade diese Geste und sein schadenfroher Gesichtsausdruck brachten Caterina dazu, ihre Empörung über Bianca zunächst einmal hinunterzuschlucken. Sie musterte die Frau, die höchstens fünf Jahre älter sein konnte als sie selbst, und versuchte, nicht ihren Gefühlen zu folgen, sondern einen klaren Kopf zu behalten. Biancas grünes Reisekleid hatte unterwegs stark gelitten, sah aber immer noch weitaus besser aus als ihr eigenes, und die Truhen auf dem Karren wiesen darauf hin, dass in ihnen noch weitere Schätze zur Befriedigung weiblicher Eitelkeit zu finden waren. Ein bitterer Geschmack machte sich in Caterinas Mund breit. Ihr selbst hatte der Vater das Geld stets so knapp zugemessen, dass sie kaum etwas für sich selbst hatte verwenden können und zumeist in Bauernkitteln herumgelaufen war wie ihre Mägde. Die wenigen Kleider, die sie besaß, hatte sie mit Malles Hilfe selbst nähen müssen, und bis auf eines waren die Gewänder vielfach geflickt, gewendet und mit Stoffresten neu zusammengenäht worden. Ihres Vaters Ehefrau hätte Borelli nicht so schlecht behandelt, also musste diese Frau seine Geliebte gewesen sein, die in einem weich gepolsterten Nest gelebt hatte, ohne darben zu müssen.
Caterina hätte dem Weib am liebsten die Kleider vom Leib gerissen und es nackt aus dem Lager treiben lassen, so kochte es in ihr. Gleichzeitig war ihr bewusst, dass sie dieser Regung nicht nachgeben durfte, denn mit den beiden verschreckten Kindern hatte Bianca ihr ein Vermächtnis mitgebracht, das sie nun hüten musste. Während ihr Bruder Jakob und sie mehr nach ihrer italienischen Mutter gekommen waren, hatten die beiden kleinen Mädchen die blauen Augen und die blonden Haare ihres Vaters geerbt. Wahrscheinlich hatte die Ältere der beiden den Vater öfter gesehen als sie selbst und war von ihm geherzt und geküsst worden, so wie sie es sich immer gewünscht hatte. Für einen Augenblick überflutete der Neid auf diese Kinder ihre Sinne, und sie stellte sich vor, wie die Mutter und die Töchter in Lumpen auf Kirchenstufen saßen und die Vorübergehenden um Almosen anflehten. Dann rief sie sich zur Ordnung. Die Tatsache, dass sie sich nun noch mehr von ihrem Vater enttäuscht und zurückgesetzt fühlte, war kein Grund, ihre Halbschwestern im Straßengraben zugrunde gehen zu lassen.
Caterinas Blick glitt von den Kindern zu deren Mutter, weiter zu Borelli und wieder zurück zu Bianca. »Du sagst, dieser Ranuccio sei nach Giustomina gekommen, um die Besitzung zu verkaufen?« Ihre Stimme klang scharf.
Bianca nickte unter Tränen. »So ist es! Ranuccio hat gesagt, sein Vetter bräuchte dringend Geld, um die Kompanie übernehmen zu können.«
»Das hätte er tatsächlich benötigt!« Caterina drängte ihre gekränkten Gefühle beiseite und fixierte ihren Vetter mit einem Medusenblick. »Soso! Giustomina und Viratelli sollten für mich Lehen sein, die an den Heiligen Stuhl zurückgefallen sind. Signore Borelli, Ihr seid beinahe genial. Ihr wolltet mir meine Kompanie mit dem Geld aus meinem eigenen Erbe abkaufen. Ein solches Schurkenstück hat die Welt wohl noch nicht gesehen!«
Bianca maß Caterina mit einem erschrockenen Blick, löste sich aus Friedels Griff und sah den Mann fragend an. »Wer ist diese Signora?«
»Giacomos Schwester, Monte Eldes legitime Tochter.« Es klang bärbeißig, denn Friedel wusste in dem Augenblick nicht, welcher der beiden Frauen er Loyalität schuldete. Caterina hielt als Erbin das Schicksal der Eisernen Kompanie in ihren Händen, doch seine Treue gehörte mindestens ebenso der Mätresse und den Bastardtöchtern seines ermordeten Capitano.
»Madonna, hilf!« Bianca gab sich in diesem Augenblick endgültig verloren und kniete nieder, um für sich und ihre Kinder zu beten.
Caterina las Verzweiflung in den müden, von Anstrengung gezeichneten Gesichtern ihrer Halbschwestern und deren Mutter, stemmte die Arme in die Hüfte und bedachte Borelli mit einem rachsüchtigen Blick. Er hatte jedes Wohlwollen bei ihr verspielt, während sie vor der Frau, die lieber die Straße gewählt hatte, als sich an einen dahergelaufenen Schuft zu verkaufen, wachsenden Respekt empfand.
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