Die Löwin
doch schonend beibringen sollen.« Der Wachhabende seufzte und wollte Bianca mit einem Scherz auf den Lippen entgegentreten, prallte aber beim Anblick ihres wutverzerrten Gesichts zurück. Er kannte Monte Eldes Mätresse als ein hübsches, rundliches Wesen mit einem ausgeglichenen Charakter, das sich von nichts aus der Ruhe bringen ließ. Jetzt aber sah er sich einer Furie mit vor Zorn lodernden Augen gegenüber.
»Wo ist Borelli, diese Ratte?«, schrie sie den Soldaten in ihrer romagnolischen Mundart an und wiederholte die Frage in holprigem Deutsch, nachdem weder Friedel noch der Wachtposten rasch genug geantwortet hatten.
»Der Signore ist in seinem Zelt.« Da Friedel auf Deutsch geantwortet hatte, setzte auch Bianca ihre Rede in dieser Sprache fort.
»Der wird erleben viel! Ich zerreiße ihm Kopf und ihn stecke in seinigen Hintern.« Dabei fuhr die Frau so heftig mit den Armen durch die Luft, dass ihr Maultier scheute und Friedel rasch zugreifen musste, um zu verhindern, dass sie abgeworfen wurde. Er half ihr aus dem Sattel und stellte sie auf den Boden. Ihre Ausdrucksweise, die höchstens einem Knecht oder Söldner angemessen war, aber gewiss nicht einer Dame kleinadeliger Abstammung, erschreckte ihn ebenso wie die Erkenntnis, dass Bianca tatsächlich imstande zu sein schien, gewalttätig zu werden.
»Hol Borelli, aber schnell, ehe die Capitana etwas merkt!«, raunte er dem Wachtposten zu. Dann bat er die Dame, ihre Stimme ein wenig zu mäßigen.
Dafür erntete er jedoch nur einen Schwall von Flüchen. Eine Hure oder Magd hätte er für diese Beschimpfungen verprügelt, Bianca zu schlagen verhinderte jedoch die Achtung, die er seinem ermordeten Herrn und damit auch ihr zu schulden glaubte, obwohl sie nicht Monte Eldes ehelich angetrautes Weib gewesen war. Da Friedel sich der Wut der Mätresse nicht zu entziehen wusste, war er erleichtert, als Borelli auftauchte, um zu sehen, wer ihn zu sprechen wünschte. Bei Biancas Anblick zog er die Stirn kraus und öffnete den Mund, doch bevor er nur ein Wort über die Lippen brachte, wurde er mit einem Wust an Verwünschungen überschüttet, die über das ganze Lager hallten und die Soldaten zusammenlaufen ließen. In ihrer Erregung mischte Bianca ihr ausdrucksvolles Italienisch mit etlichen kräftigen deutschen Flüchen, die sie von Monte Eldes Söldnern gelernt hatte, und bezeichnete Borelli mit allen negativen Bezeichnungen, die ihr einfielen, angefangen von den unangenehmsten Vertretern des Tierreichs bis hin zum Sohn eines nach Schwefel stinkenden Teufels und einer aussätzigen Hure. Zuletzt warf sie ihm Beleidigungen an den Kopf, die unter Männern nur durch Blut abzuwaschen gewesen wären. Dabei hatte sie sich ihm Schritt für Schritt wie eine von Jagdfieber gespannte Katze genähert und machte nun Anstalten, Caterinas Vetter mit ihren zu Krallen gekrümmten Fingern ins Gesicht zu fahren. Friedel versuchte, die Tobende von Borelli zurückzureißen, aber selbst mit der Hilfe von zwei Kameraden vermochte er nicht, die Frau zu bändigen. Erst Steifnacken, der vom Aufruhr herbeigelockt worden war, gelang es, sie zu packen und festzuhalten.
Nun traute Borelli sich, an sie heranzutreten, und versetzte ihr eine kräftige Ohrfeige. »Was ist denn mit dir los, du Miststück? Was hast du hier zu suchen?«
In dem Moment ließ Steifnacken sie los, doch statt auf Monte Eldes Neffen loszugehen, begnügte sie sich mit weiteren Beleidigungen. »Zu suchen? Das fragst du, du elende Ratte, du Maus, du Floh, du Wanze …«
Eine weitere Ohrfeige unterbrach diesen erneuten Ausflug ins Tierreich. »Rede, aber so, dass man es versteht, und wage es nicht, mich noch einmal zu beleidigen!« Borelli war kurz davor, die Geduld zu verlieren, und wollte schon den Söldnern befehlen, die Frau samt ihrem Anhang zum Teufel zu jagen.
»Oh ja, ich rede! Schließlich sollen die Männer erfahren, was für ein Schuft ihr neuer Capitano ist«, rief Bianca mit mühsam beherrschter Stimme. »Kaum ist mein geliebter Francesco tot, schickt dieser Bandit hier seinen Vetter Ranuccio, um mich auszurauben und die Besitzungen zu verkaufen, die Monte Elde als Mitgift für seine und meine armen Töchter vorgesehen hatte. Diese Ratte Ranuccio hat es sogar gewagt, mir zu drohen, und verlangt, dass ich die Stute für ihn spielen soll, damit meine armen Kleinen und ich auf Giustomina bleiben dürfen. Ich habe ihm deutlich gesagt, was für ein Schwein er ist! Hat er als Junge doch selber die Schweine gehütet,
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